Im Gespräch: Patti Smith

von Jörg Häntzschel

Exzerpt von Karlheinz 

Man stellt sich 1968 und 1969 heute vor wie ein aufregendes Fest. 

Wir wussten nicht, dass Woodstock stattfand. Wir hätten ohnehin kein Geld, kein Auto und keine Zeit gehabt. Wir waren nur mit uns selbst beschäftigt. 

Als Sie anfingen, war die Popkultur noch jung. Sie hatten freies Feld. Wer heute 20 ist und Musiker oder Künstler werden will, ertrinkt in Referenzen. 

Es wird schon eines Tages jemand kommen und das alles auslöschen. Nach der Renaissance übertünchte man auch die Michelangelos oder baute hinter dem „Letzten Abendmahl“ eine Küche ein. Übrigens hieß es, als ich „Horses“ aufnahm, die Ära des Rock ’n’ Roll sei vorbei. Jim Morrison war tot. Jimi Hendrix war tot. Bob Dylan hatte seinen Motorradunfall. Die Beatles trennten sich. Plötzlich tauchten Bands wie Kiss auf, und David Bowie begann mit diesen theatralischen Sachen. Aber ich glaubte an Rock ’n’ Roll, ich fand, da gab es noch viel zu sagen... 

Wie haben Sie sich aus den Drogen rausgehalten? 

Ich bin nicht selbstzerstörerisch und wusste, dass ich nichts vertrage. Ich hatte zuviel Respekt vor den Drogen, um mich bei Partys zu bedröhnen.

Außerdem war ich zu individualistisch, um Teil eines kollektiven Bewusstseins werden zu wollen... 

Wie hat sich New York seit den Sechzigern verändert? 

Michael Bloomberg hat die Stadt zugerichtet, als kämen die Olympischen Spiele. Es ist kriminell. Am Times Square sieht es aus wie in „Blade Runner“. 42nd Street ist wie Disneyland. Die kleinen Cafés, in denen vielleicht schon Dylan Thomas geschrieben hat, werden von Leuten mit viel Geld aufgekauft, dann kommt ein Designershop, dann ein Fastfood-Laden. Das CBGBs ist jetzt eine Boutique für Herrenmode!

Wir sind ein junges Land, wir könnten es uns nicht erlauben, unsere Geschichte mit Glas und Stahl wegzuwischen. 

Was ist noch übrig von der Szene, der Sie angehörten? 

Viele meiner alten Freunde sind tot. Viele Leute, mit denen ich arbeitete, können sich die Stadt nicht mehr leisten. Unseren Übungsraum an der 28. Straße hat eine Galerie übernommen. Auch mein Atelier habe ich verloren.

Nachts laufe ich durch die Straßen und frage mich, wer die Leute sind, die aufgedonnert vor den klinischen japanischen Restaurants Schlange stehen und vor Clubs, aus denen diese tiefen Bässe kommen. Es ist nicht meine Welt.

Aber jede Generation muss sich selbst finden.


Wer den ganzen Artikel lesen möchte, gehe zu:

"Es hat einfach nur weh getan.
Ich hatte es nicht erwartet und wusste nicht, was ich machen sollte. Unsere Verbindung war aber nicht auf Sex gegründet. Sie wurzelte in einer tiefen gegenseitigen Wertschätzung."
(Patti über ihre Wahrnehmungen, als sie erfuhr, dass Robert schwul ist.)
Interview: Jörg Häntzschel
Süddeutsche Zeitung, 2010-03-18


Siehe auch:
Patti Smith - Buch
"Just Kids: Die Geschichte einer Freundschaft"

bei Kiepenheuer&Witsch erschienen.


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