Die Tonspur meines Lebens

Was treibt einen Freund elektrischer Musik(1), just in time zu dilletieren?

von Karlheinz

Es gibt so wahnsinnig viele und ebenso gute Freizeitmusiker. Niemand, der diesem Hobby frönt, wird daher weinen, wenn er nach ehrlicher Bilanz feststellen muss, dass er letztlich bezahlt hat, um auftreten zu dürfen. Nur wenige Wirte, wie andere Veranstalter, können es sich leisten, ihren Live-Musikern Profi-Gagen zu zahlen, die meisten nicht mal eine halbwegs kostendeckende Entlohnung. Um so mehr in Zeiten, in denen auch Musik Kneipen Gänger zwar nicht mehr die hippieske 60er-Jahre-kostenlose-Musik-für-alle einfordern, dennoch, als Kinder der Konsum-Müllhalden-Sucher-Generation ebenso inbrünstig Sonderangeboten der Discounter hinterher hecheln, wie mit panischer Flucht auf Kosten deckende Preise ihrer Wirte reagieren, mit dem „te absolvo“ der gefühlten globalen Krise und des ebenso gefühlt legalen Alltags der Internet-Piraterie im Bauch.

Freizeitmusik ist ein Hobby und Hobbys kosten Geld. Die Erkenntnis dieser „Not“ wurde unsere „Tugend“: Wir finden unser Repertoire unter dem weit gefassten Nenner "BLUES CLASSIC PROGRESSIVE ROCK" und da unter den Stücken, die wir lieben. So bald wir glauben, dass die Früchte unseres Vergnügens im Proberaum reif sind für ein Publikum, das möglichst viele unserer Stücke ebenfalls gerne hat und auch noch unser Bemühen schätzt, sie so gut es uns gelingen mag originalnah nachzuspielen, dann „droht“ der nächste Auftritt von JUST IN TIME

Weder im Proberaum, noch während eines Gigs, haben Musiker eine Chance, das, was sie gemeinsam mit anderen produzieren, in Gänze und 1-zu-1 zu erleben. Was (fast!) jeder Zuhörer vor der PA genießen darf, wird ihnen erst, und dann auch nur in Annäherung, beim Abhören eines mehr oder weniger gelungenen Mitschnitts zugänglich. Daher stellt sich jedem Musiker, egal welcher "Klasse", die Frage, warum er das, was er tut, eigentlich wirklich tut. Der zeitnahe, optimale sinnliche Genuss der Früchte seiner Arbeit kann es ja offensichtlich nicht sein.

Ist es die Befriedigung der Eitelkeit, Beifall dafür zu bekommen? Mit Sicherheit: Ja! Ist es das tolle Gefühl, die Vibrationen einer guten Anlage im Bauch und sonstwo in Form von „goose pimpels“, Windstoß in der Lunge, Kloß im Hals? Ebenso sicher: Ja!! Ist es das regelmäßige Verbringen von Zeit, mit ein paar ähnlich „Bekloppten“, das gemeinschaftliche Überwinden von Schwierigkeiten und endlich der Moment, in dem alle zusammen schwingen, harmonieren, und keiner leugnen kann, das auch noch deutlich und lustvoll zu spüren? Nochmals: Ja!!!

Was nur erinnert mich daran an meine ersten Erfahrungen mit glimmenden, mehr oder weniger gut getrockneten Pflanzenblättern: Ein würgend brennender Schwall von Teer über Zunge und Rachen - Aber: Ein göttlicher Schwindel im Kopf! Oder an den ersten "Genuss" von vergorenem Gerstensaft: Geeh fott!, eine bittere Jauche-Brühe - Aber: Eine anarchisch heitere Leichtigkeit im Hirn!

Kann aktive Musikerfahrung tatsächlich so ähnlich wie eine Droge wirken? Ein happiger Kapitaleinsatz zur Finanzierung der obligaten Hardware, die "elektrische Musik" und "moderne Hörgewohnheiten" nun mal voraussetzen(1) - und dennoch, verblüffend, wie viel Spaß bereits das Üben alleine (na ja!), auf jeden Fall das Proben gemeinsam mit Anderen machen kann, geschweige denn das besondere Erlebnis der meist eigenartig festlichen Atmosphäre eines Auftritts, der nervenzerrenden Möglichkeit, sich vor viel mehr Menschen als "nur" den paar in der eigenen Kapelle blamieren zu können, aber auch die schmeichelnde Verlockung beklatschter Eitelkeit.

Ob im Proberaum, ob auf der Bühne, das eigenhändige Musik Machen, beim Nachspielen von Stücken, die man liebt, kann tatsächlich wie eine Droge wirken. Mal ehrlich: Den "Ernst des Lebens" kannst Du doch getrost in der Pfeife rauchen gegen "die Sucht der Träumer"(2), eine "kleinkarierte Welt von Macht und Geld" gegen "die Brüder der romantischen Verlierer"(3). Was sind denn schon letztlich "Information, Wissen, Weisheit, Wahrheit, Schönheit und sogar Liebe", "das Beste ist Musik!"(3)... Und übrigens, unsere Herzen schlagen für alle, die auch heute noch sagen (dürfen): "Wir sind die jeilen Träumer geblieben!"(4)


(1)"Electric music is the vernacular of the second half of the twentieth century" (Elektrische Musik ist die Sprache der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts) - Charles Louis Seeger Jr. (*1886-12-14 in Mexico City, † 1979-02-07 in Bridgewater Connecticut, USA), Musikwissenschaftler, Komponist und Vater von Pete Seeger.

Hi, (2): Wolf Maahn, (3): Uli Hundt 2, (4) Frank Zappa 2 3, (5): "Jächt" Köster, seid herzlichst gegrüßt!


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