Jeff Beck - neues Album -
"Emotion & Commotion"

Ein Gitarren Held spielt nicht mit
Artikel von Larry Rohter in
The New York Times
vom 12. Februar 2010

LOS ANGELES – Jeff Beck kam Ende Januar von London hier her, nicht nur um seinen fünften Grammy in der Kategorie „Bestes Rock Instrumentalstück“ für seine Version von „A Day In The Life“ von The Beatles in Empfang zu nehmen, sondern auch um einen Beitrag zu einer TV-Sendung in Erinnerung und zu Ehren des Elektro-Gitarren-Pioniers Les Paul (siehe auch: [ ) hervorragend zu moderieren.

Jeff Beck, "A Day In The Life" (The Beatles)
live auf dem Montreux Jazz Festival 2001
 

Becks eigenartige Situation heute ist, dass ihn in den USA kein Kind kennt (Was für dämliche Kinder?! - Nee, quatsch! Was für noch dämlichere (Groß?)Eltern! K). Mit 65 und einer bemerkenswerten Karriere, die zurückreicht bis in die frühen Tage der „British Invasion“ (die britische Musik-Invasion der USA durch die Beatles...,K), bleibt Jeff Beck der größte Gitarrist, von dem Millionen Menschen nie (bewusst! K) gehört haben.

Doch selbst heute hat der Meister-Instrumentalist in ihm der Versuchung widerstanden, durch die Reduzierung seines Könnens auf ein Video-Spiel mit farbigen Knöpfen breiteren Massen bekannter zu werden. Das Angebot, als Verkörperung (Avatar) in einem „Gitarren-Helden“-Kinderspiel zu erscheinen, lehnte er ab. „Diese verrückte Lawine von Materialien macht es ehrgeizigen jungen Gitarristen so schwer, ihren Weg zu finden, ohne sich zum Sklaven eines immer wieder neuen Effekt-Geräts oder Programms zu machen“. 

Beck versucht sein Bekanntheits-Dilemma auf altmodische Art zu lösen, mit einem neuen Manager und einem neuen Album bei einer neuen Plattenfirma. Den größten Teil des letzten Jahres war er unterwegs, wurde im April in die Rock-And-Roll-Hall-Of-Fame als Solokünstler aufgenommen. Ende Oktober glänzte er auf dem 25sten Rock-And-Roll-Hall-Of-Fame-Konzert im Madison Square Garden unter anderem mit dem Stück „Superstition“, das Stevie Wonder ursprünglich für ihn schrieb, gemeinsam mit eben diesem Stevie Wonder, einem treuen Freund über 40 Jahre. 

Rock and Roll Hall Of Fame 2009
mit Jimmy Page
Vinnie Colaiuta - Drums
Tal Wilkenfeld - Bass
Jason Rebello – Keys

Am 18. Februar 2010 wird Jeff Beck gemeinsam mit seinem Kumpel Eric Clapton im Madison Square Garden, der zweiten Station einer Vier-Städte-Mini-Tour, auftreten. Beck und seine neue Band werden danach nach Australien, Hong Kong, Japan und Süd-Korea aufbrechen, um im April in die USA zurückzukehren, wo das Erscheinen seines ersten neuen Studioalbums nach sieben Jahren geplant ist, „Emotion & Commotion“ (Gefühl & Unruhe), herausgegeben von Atco. 

Beck war – wie es Jan Hammer, der Jazz-, „Fusion“-Pianist, Schlagzeuger, Freund und langjähriger Mitarbeiter ausdrückt – einer aus der „Heiligen Dreifaltigkeit“ der Britischen Gitarrenspieler, welche die 60er hervorgebracht haben. Wie Eric Clapton und Jimmy Page, Gründer von Led Zeppelin, wurde Jeff Beck bekannt als Mitglied der Yardbirds, mit denen er Blues gefärbten Rock’n’Roll spielte (das tun Chris Dreja und Jim McCarty heute noch! K), bis er sich allein auf den Weg machte. 

In den vergangenen 43 Jahren hat sich Jeff Beck als Solokünstler den Ruf DES Gitarristen der Gitarristen erworben. Er hatte den größten Einfluss auf drei Generationen von Spielern, besonders durch seine Harmoniearbeit und die „Whammy Bar“ der Fender Stratocaster, die er gerne benutzt. 

„Jeff Beck ist der beste Gitarren Spieler auf diesem Planeten“, sagte Joe Perry, der Leadgitarrist von Aerosmith und Beck-Bewunderer seit seinen Teenager Tagen.

George Martin, der The Beatles und die einzigen Aufnahmen von Jeff Beck, die Platin erreichten („Blow By Blow“ und „Wired“, Mitte der 70er), produzierte, sagt, „Wenn ich einen Elektro-Gitarren-Virtuosen nennen soll, dann ist Beck meine Antwort. Im Gegensatz zu Musikern, die nur eine Lösung anbieten können, ist Jeff mit vielen Stilen vertraut: Hard Rock, Jazz, Funky Blues, sogar Oper.“ 

Becks Karriere nahm jedoch einen eigenartigen Weg. Perioden des Engagements auf der kommerziellen Seite der Musikwelt wurden unterbrochen durch Phasen des Rückzugs in sein Land-Haus in England, um an seiner Sammlung frisierter Autos zu schrauben, seltsame Platten zu hören und in seinem Wohnzimmer zu üben. Ein Serie von Abs und Aufs, selten auf hohem Niveau. 

Die Gründe dafür lagen sowohl im künstlerischen wie im kommerziellen Bereich. Stilistisch war Jeff Beck schon an allen Ecken der Landkarte, von Proto-Heavy-Metal bis Jazz, experimentierte mit Elektronischer Musik, kam zurück zum Blues, mit Abstecher zum Rockabilly – generell folgte er seinen eigenen Neigungen, unbeeinflusst von dem, was gerade populär war und ließ die Plattenfirmen nicht selten ratlos zurück, in welche Schublade sie ihn stecken und wie sie für ihn werben sollten. 

Keine seiner letzten Studioaufnahmen waren Verkaufsschlager. Nach den Aufnahmen seiner Jeff Beck Group mit Rod Stewart als Sänger aus den späten 60ern und Anfang der 70er hat Beck seither keinen hauptamtlichen Sänger mehr gehabt. Entsprechend verzichtet er in vielen seiner Stücke ganz auf Texte, die in einigen Aufnahmen nur noch zu Inhaltsangaben reduziert vorkommen. 

„Jeff kann nur sehr schwer mit einem Sänger zusammenarbeiten, da er der Meinung ist, dass seine Gitarre die Führende Stimme sei und Sänger, besonders im Rock, den Anspruch haben, im Mittelpunkt zu stehen,“ sagte Jan Hammer. „Diese Einstellung hat zwar dennoch einige großartige Einmaligkeiten hervorgebracht. Für eine andauernde Zusammenarbeit hat und wird sie nicht funktionieren.“ 

Derartige Verspieltheiten zeigen aber auch, wie weit Jeff Becks Interessen gehen und seine Bereitschaft zu experimentieren. In den langen Pausen zwischen seinen eigenen CDs hat er mit so unterschiedlichen Sängern aufgenommen oder gespielt, wie Luciano Pavarotti und Buddy Guy. Besonderen Spaß scheinen ihm Sängerinnen zu machen. Unter anderen arbeitete er in Sessions mit Macy Gray, Chrissie Hynde, Cyndi Lauper und Wynonna Judd. 

Die Zusammenarbeit mit Eric Clapton erwuchs aus einer Serie von Auftritten, die Jeff Beck im Jahr 2007 in einem Londoner Jazz Club hatte, wobei die beiden Gitarristen Muddy Waters „Little Brown Bird“ spielten. Anfang 2008 trafen sie sich erneut für zwei Auftritte in der Nähe von Tokyo, wobei sie Bluesmelodien und Sly Stone Stücke mit Liedern aus dem Eddie Harris und Les McCann Repertoire vermischten.

Jeff Becks neues Album, das von Steve Lipson und Trevor Horn produziert wurde, setzt dieses „Etwas von Allem“ fort. Es beginnt mit „Corpus Christi Carol“, das sowohl mit Jeff Buckley als auch mit Benjamin Britten zu tun hat, bewegt sich später von einer instrumentellen Version von „Over The Rainbow“ zu „I Put A Spell On You“ mit Joss Stone als Sänger, schließt eine instrumentelle Fassung der Puccini Arie „Nessum Dorma“ ein und endet mit einer Opernversion der „Elegy For Dunkirk“ aus dem Film „Atonement“. 

„Er wusste nicht, was er wollte und war anfänglich im ‚Höchste-Panik-Modus’,“ sagte Steve Lipson in einem Telefoninterview von seinem Londoner Studio. „Erst beim Aufnehmen und Finden der Stücke wurde er ruhiger. Ich sagte ihm: ‚Du bist der größte instrumentelle Melodie-Experimentator, den ich kenne; Darauf sollten wir uns konzentrieren.’ Er war einverstanden.“ 

Um für die CD zu werben, wird Beck mit einer neuen Band auf Tour gehen. Zum Keyboarder seines letzten Ensembles, Jason Rebello, hat er eine neue Rhythmusgruppe gefunden: Den Schlagzeuger Narada Michael Walden und die kanadischen Bassistin Rhonda Smith, die fast zehn Jahre mit Prince im Studio und auf Tour war.

 Chicago Crossroads 2007
noch mal "A Day In The Life"
nun
mit der australischen Bassistin
Tal Wilkenfeld

Nachdem er Mitte der 70er Jahre gerade John McLaughlins Mahavishnu Orchestra verlassen hatte, schrieb Walden einige Lieder für "Wired" und spielte darauf auch mit. Danach wurde er ein erfolgreicher Produzent und Liedkomponist für Aretha Franklin, Whitney Houston und Barbara Streisand. Aber er vergaß seine Abneigung gegen lange Touren, als Jeff Beck ihn nach 30 Jahren erstmals einlud, mitzumachen. 

„Du suchst nach Typen, die Dich als Musiker treten können, und Jeff kann das schmutzig und stinkend,“ sagte Walden in einem Interview. „Er ist nicht nur Melodie, oder der Typ, der seine Gitarre weinen lassen kann. Er ist auch ein verrückter Kater, der immer an Rhythmus denkt, und er hat vor nichts Angst, was ihn für alle möglichen Arten von Material offen sein lässt.“ 

Auf der geschäftlichen Seite hat Beck auch den Ruf eines Querkopfs, dessen Entscheidungen schon mal zum eigenen Schaden gereichten. So war er zum Beispiel schon für das erste Woodstock Festival gebucht, sagte aber in letzter Minute ab, was Rod Stewart veranlasste, die Band zu verlassen und eine sehr erfolgreiche Solokarriere zu beginnen. 

Auch heute noch misstraut Jeff Beck der Maschinerie der Pop Industrie und verhehlt nicht sein Erstaunen und seine Abscheu über die Art und Weise, wie die „Berühmtheits-Kultur“ sich andere Musiker einverleibt hat. 

„Das ist ein diabolisches Geschäft,“ sagt er. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie höllisch es sein muss, wenn Amy Winehouse und Leute wie sie gejagt werden. Ich habe ein kleines Plätzchen an den Rändern der Berühmtheit, wenn ich zu Premieren oder Ähnlichem gehe, dann gehe ich nur so nahe ran, wie ich möchte. Ich schätze mein Privatleben über alles, und Wehe dem, der es zu stören versucht.“ 

Jeff Beck weiß, dass er für seine Sturheit gezahlt hat. Die Frage, ob es ihn nicht geärgert habe, nicht den gleichen kommerziellen Erfolg genossen zu haben wie seine Kollegen Clapton und Page, weist er zunächst zwar als unsinnige Vermutung zurück, sagt dann aber, er versuche, sich auf die positiven Aspekte seiner Entscheidung zu konzentrieren. 

„Es bringt nichts, vorbei ist vorbei, vorüber, verflogen,“ sagte er. „Ich könnte es als äußerst ärgerlich, aber auch das Gute daran sehen und sagen, ‚Das ist der einzige Grund, warum ich noch immer hier bin’, denn Du kannst sicher sein, ich wäre nicht mehr hier, wenn ich in den 80ern eine  große Platte gehabt hätte. Und überhaupt, es gefällt mir so. Ich mag es, dass ich mich einfach verpissen und verschwinden kann.“ 


A Guitar Hero Who Won’t Play the Game 

by LARRY ROHTER
The New York Times
12. Februar 2010

Ins Deutsche übertragen
von Karlheinz Damerow


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