Die Lemminge tanzen wieder

Welche Stücke es waren, ich kann nicht alle aufzählen, auch nicht in welcher Reihenfolge.  Es waren aber Gott sei Dank die "alten", und vielen hörte man an, dass die Helden geprobt haben, einigen aber auch, dass ein wenig mehr davon nicht übel gewesen wäre.

Aber lassen wir die Maßstäbe, die eine gerade gehörte Bröselmaschine nahe legen mochten. Studioperfektion à la Peter Bursch war live nicht ihr Ding, war wohl nie die Welt von Chris, Renate, John, Peter (Gott hab ihn selig) und Lothar.

Lothar Meid
© Eva B. Louis
(Musicmirror)

Ja, tatsächlich, Lothar Meid, da stand er plötzlich auf der Bühne und blinzelte, die Hände vor dem Bauch verschränkt, amüsiert ins Publikum. Dann erklang seine markante Stimme ("Mensch, dieser Klaus"), zusammen mit der unvergleichlichen von Renate. Und er nahm mit sichtlich tierischem Vergnügen, für ein paar Stücke auch seinen Bass in die Hand. Für mich eine besonders be-rührende Begegnung.

Gerard Carbonell
© Eva B. Louis
(Musicmirror)

Seinen Part, den der langen Saiten, hat mit ihm und für den Rest des Auftritts Gerard Carbonell, ein studierter Basslehrer in sympathischer Bescheidenheit und überaus beachtlich übernommen. 

Renate Knaup-Krötenschwanz
© Eva B. Louis
(Musicmirror)

Renate, in geschmackvoll stilsicherem, schwarzgrauen Hosenkleid, füllt das Zentrum der Bühne und deren Rampe mit ihrem teils rustikalen, grob urbanen aber immer liebevoll leidenschaftlichen Charme, ihrer einzigartigen Stimme, Schellenring und "Wer weiß, wie Rauchen aufhören geht, komme bitte mal hier rauf!".

Renate
© Eva B. Louis
(Musicmirror)

Ihre rettungslose Ehrlichkeit und Spontaneität, auch gegenüber Impulsen aus dem Publikum, lässt eine optimale Konzentration auf ihr Kerngeschäft und damit auch so manchen Einsatz zer"brösel"n, aber auch mal die Band meisterlich mit: "Stop, Stooop!-Eins-zwei-drei-vier..." wieder auf den Punkt und in die Spur bringen.

Chris Karrer
© Eva B. Louis
(Musicmirror)

Beeindruckend die milde, soll man sagen, altersweise Freundlichkeit eines Chris Karrer, der seinen unverzichtbaren Teil zur Leistung des Kollektivs souverän und unspektakulär in seinem Biotop am rechten Bühnenrand beisteuerte, mit fast permanentem Blickkontakt zu allen – auch mal mit einem hochgereckten Geigenbogen zum Mix: "Macht meinen Kanal auf!" – und ab und zu auch mit einem mitreißend himmlisch glücklichen Lachen. Eine Probe seiner Kanne hat mir dennoch gefehlt. 

Chris
© Eva B. Louis
(Musicmirror)

À propos Mix, ein Sound Check scheint auch das Ding von Amon Düül II nicht zu sein. Jochen(?), der Veranstalter verdrehte ob einer Frage Elkes danach nur die Augen; entsprechend musste Danny Fichelsher, einer der beiden Schlagzeuger am Mammut-Set von Manni von Bohr, schon mal darum bitten, ihm doch John Weinzierls Gitarre wahrnehmbar auf den Monitor zu legen, und auch Renate fast noch zur Mitte des Auftritts, mit ihr eigener ironisch dramatischer Gestik, ein offenes Gesangs-Mikro und mehr Saft auf den dazu gehörigen Monitor erflehen. 

Das zweite Schlagzeug wurde von Dieter Serfas bedient, der für diesen Auftritt Jockel Streb, den Keyboarder seiner Nürnberger Jazz Fusion „Imaginaire Folklore“ Kapelle Euro Payer mitgebracht hatte, der seinen Falk Rogner Tasten Part inklusive Synthesizer-Effekten unauffällig aber souverän und offenbar mit viel Vergnügen meisterte. Warum mich seine Frau(?) für "etabliert" hielt, gibt mir immer noch zu denken.

John Weinzierl
© Eva B. Louis
(Musicmirror)

Bleibt John Weinzierl, der kommunikative Pol und Kopf der Band (Chef ihrer galaktischen Internetseite), der unermüdlich zwischen Melodie und Rhythmus-Fundament vermittelt. Mit ihm, so scheint mir, erhalten und behalten die Stücke bei aller, aus der Not (Mangel an Proben?!) geborenen oder gewollt gelebten Freiheit der Eigeninterpretation ihre ursprüngliche, beeindruckende Kontur und damit ihre künstlerische Identität. Bei „Wolf City“ brauchte es für mich allerdings ziemlich lange, bis ich das Stück wieder erkannte, siehe oben: Lothar & Renate.

Nicht zuletzt der elektronische Bongo-, Conga– u.a.-Player, zeitweilige "Klassenclown" und momentane "Mann" von Renate, Jan Kahlert, der für die klassischen perkussiven Blüten der Amon Düül II Musik verantwortlich zeichnet. Mit seinen commediaartigen Albernheiten konnte ich mich so auf Anhieb aber nicht ganz anfreunden. 

Nach zwei Stunden meinte Renate dann, nun sei es genug, und die Band verabschiedete sich, um weit nach Mitternacht noch einmal für das "Smoke On The Water" von Amon Düül II, für "Archangels Thunderbird" zurückzukehren.

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Die Setliste, dank Musicmirror:

Eye Shaking King (Yeti)
Apocalyptic Bore (Vive La Trance)
Cant't Wait (Hijack)
All The Years Round (Carnival In Babylon)
Kanaan (Phallus Dei)
Deutsch Nepal (Wolf City)
Metropolis (Made In Germany)
Green Bubble Raincoated Man (Wolf City)
Manana (Vive La Trance)
Soap Shop Rock (Yeti)
Surrounded By The Stars (Wolf City)
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Archangels Thunderbird (Yeti)

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Tanz der Lemminge, 1971

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