Miguel de Cervantes Saavedra


Leben


Cervantes Saavedra wuchs als Sohn eines Hidalgo (verarmter oder einfach Landadeliger) auf, der als bescheidener Wundarzt, gezwungen durch Schulden und auf der Suche nach einer einträglichen Tätigkeit, in verschiedene Städte des Landes zog. Zwischen 1551 und 1556 lebte die Familie Cervantes in Valladolid, Cabra, Córdoba, Sevilla und Madrid.

In Madrid wurde Cervantes Saavedra unter der Anleitung des Humanisten Juan López de Hoyos in die Welt der Literatur eingeführt. Ein Duell aus ungeklärter Ursache zwang ihn 1569 vor der Verfolgung durch die Justiz aus Madrid zu fliehen und damit seine literarische Laufbahn zu unterbrechen.

Cervantes gelang es, nach Italien zu gehen, wo er im Dienst des Kardinals Giulio Acquaviva d'Aragona (* 1546, † 1574) die italienische Sprache und Literatur eingehend kennenlernte. Er wurde 1570 Soldat und nahm 1571 auf der Galeere »Marquesa« an der Schlacht von Lepanto gegen die Türken teil; dabei wurde seine linke Hand steif (»el manco de Lepanto«).

Auf der Rückfahrt nach Spanien nahmen ihn 1575 algerische Piraten gefangen. Da er ein Empfehlungsschreiben des Don Juan de Austria bei sich hatte, verlangte man ein Lösegeld, das die Möglichkeiten der Familie Cervantes überstieg. Seine wiederholten Fluchtversuche scheiterten. Erst 1580 konnte er von den Trinitariern Juan Gil und Antón de la Bella freigekauft werden.

1584 heiratete er Doña Catalina de Salazar y Palacios in Esquivias, wo er bis 1587 blieb, um dann nach Andalusien zu reisen, und dort der Tätigkeit eines Vorratseintreibers für das Heer nachzugehen. Später wurde er zum Steuereintreiber ernannt, doch 1597 kam er wegen einer von anderen veruntreuten Geldsumme, für die er verantwortlich war, ins Gefängnis.

Erneut auf freiem Fuß, zog er 1598 nach Valladolid, wohin auch der König auf Rat des Conde de Lerma seine Residenz verlegt hatte.

In Verdacht geraten, da er einen Duellanten namens Ezpeleta vor seiner eigenen Haustür verletzt auffindet, geriet er wieder ins Gefängnis.

1613 trat Cervantes Saavedra in den Dritten Orden des Heiligen Franziskus ein.

Lyrische Werke


Cervantes Saavedra begann seine literarische Tätigkeit als Lyriker und Dramatiker.

Seine Gedichte folgen zunächst dem petrarkisierenden Stil, später verwenden sie Formen der traditionellen spanischen Lyrik (Romanzen, Letrillas).

In Terzetten abgefasst ist das epische Gedicht "Viaja del Parnaso" (1614; deutsch "Die Reise zum Parnass"). Es stellt nicht nur eine kritische dichtungstheoretische Erörterung und seine Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Literatur dar, sondern enthält auch autobiografische Elemente.

Theater


Sein frühes dramatisches Schaffen, 20x30 Comedias, ist bis auf zwei Werke (»El trato de Argel«, entstanden um 1582; »El cerco de Numancia«, entstanden um 1585, deutsch »Numancia«, beide erst 1784 gedruckt) verschollen.

Die »Numancia« stellt die Belagerung der Stadt Numancia durch die Römer dar und schildert die kollektive Opferung und patriotische Tugend des von Scipio bedrängten Volkes. Im Jahr 1937 ließ Rafael Alberti eine aktualisierte Version in Madrid aufführen, als die Truppen des Generals Franco die Hauptstadt belagerten. »El trato de Argel« thematisiert Cervantes Saavedras Gefangenschaft in Algier.

1615 veröffentlichte er »Ocho comedias y ocho entremeses, nunca representados« (deutsch »Zwischenspiele«). Während er sich in letzteren v. a. als Meister des ironisch-heiteren Zwischenspiels erweist (u. a. in »El retablo de maravillas«, deutsch »Das Wundertheater«; »La cueva de Salamanca«, deutsch »Die Höhle von Salamanca«), erreicht er als Autor von aristotelisch ausgerichteten Comedias nicht den Erfolg der publikumsorientierten Werke [Lope de Vegas] oder Calderón de la Barcas.

Prosa


La Galatea

Cervantes Saavedras erstes erzählendes Werk »La Galatea« (deutsch u. a. »Die Galatea«, 1. Teil gedruckt 1585, ein 2. geplanter Teil wurde nie geschrieben) reiht sich in die Tradition des Schäferromans ein. Vergil, Jacopo Sannazzaro (* 1455, x 1530), J. de Montemayor und G. Gil Polo hatten Einfluss auf dieses Frühwerk. Im ersten Teil wird die Liebe von Elicio und Galatea, zwei vornehmen und gebildeten Schäfern, in einer idyllischen Landschaft (Topos des locus amoenus) dargestellt. Cervantes modifiziert in diesem Werk bekannte Gattungsregeln.

Don Quijote

Erst spät verfasste er sein Hauptwerk

»El ingenioso hidalgo Don Quijote de la Mancha«

(1. Teil 1605, 2. Teil 1615).

1614 veröffentlichte ein anderer Autor eine Fortsetzung des »Don Quijote« unter dem Pseudonym Alonso Fernández de Avellaneda. Seine wahre Identität konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Diese Fortsetzung erreicht nicht die literarische Qualität von Cervantes Saavedra.

Die erste Übersetzung ins Deutsche,

»Don Kichote de la Mantzscha, das ist: Juncker Harnisch auß Fleckenland«

von Pasch Basteln von der Sohle, wohl Pseudonym von Joachim Caesar, wurde nicht vor 1648 veröffentlicht, wenngleich sie in verschiedenen Katalogen seit 1621 aufgeführt ist.

Diese Übersetzung zeigt, dass der »Don Quijote« zunächst als komischer Roman verstanden wurde.

Weitere Übersetzungen folgten u. a. von F.J.Bertuch, L. Tieck, Dietrich Wilhelm Soltau(* 1745, † 1827), Ludwig Braunfels (* 1810, † 1885).

In anderen Ländern entstanden bereits früher erste Übersetzungen, z. B. in England 1612 durch Thomas Shelton und in Frankreich 1614 durch César Oudin (* 1560 ?, † 1625).

Der »Don Quijote« ist der erste moderne Roman und einer der wichtigsten Beiträge Spaniens zur Weltliteratur.

Das Werk beginnt als konkrete Parodie der anachronistisch gewordenen Ritterromane (Amadis von Gaula), eine Gattung, die von den Humanisten im 16. Jahrhundert wegen des Mangels an Wahrscheinlichkeit und des Vorwurfes moralischer Schädlichkeit bzw. Zeitverschwendung scharf angegriffen wurde.

Die im folgenden auftretende satirische Behandlung dieser Gattung wurde von französischer Seite im 17. Jahrhundert auf die gesamte spanische Nation übertragen.

Im 18. Jahrhundert entdeckten englische Romanautoren (u. a. H. Fielding, L.Sterne) Cervantes neu und bewunderten im »Don Quijote« den komplexen Charakter des modernen Menschen sowie einen wohlwollenden Humor.

Die deutschen Aufklärer übernahmen die französische und englische Deutung des »Don Quijote« und bildeten damit die Grundlagen für die romantische Sicht des Werkes, in der nunmehr

der tragische Konflikt zwischen dem Realen, personifiziert durch den Knappen Sancho Pansa,
und dem
Idealen, verkörpert durch Don Quijote,

dargestellt wird.

J. Ortega y Gasset, M. de Unamuno y Jugo, Azorín, R. de Maeztú y Whitney, die Vertreter der [Generation von 98], dachten nach dem Verlust der letzten Kolonien über die spanische Identität nach und projizierten auch diese Thematik in Cervantes Saavedras »Don Quijote«.

Persiles


Mit seinem letzten Werk, dem Roman »Los trabajos de Persiles y Sigismunda« (1616, deutsch »Die Leiden des Persiles und der Sigismunda«), nimmt Cervantes Saavedra das Schema des hellenistischen Liebes- und Abenteuerromans in der Nachfolge Heliodors auf. Er erzählt die Geschichte von Periandro und Auristela, in Wirklichkeit Persiles und Sigismunda, Königskindern aus nördlichen Ländern, die sich gegen den Willen ihrer Familien ineinander verliebt hatten und deshalb sich trennen und viele Abenteuer bestehen mussten, bis sie sich schließlich in Rom wiederfinden.

Mit dem »Persiles« beabsichtigte Cervantes das beste Erzählwerk in spanischer Sprache zu schreiben. Dafür richtete er sich nach der aristotelischen Tradition des Epos, sowie den zeitgenössischen poetologischen Normen des Pinciano (eigentlich Alonso López, * 1547, † 1627). Dennoch wird der »Don Quijote« von seinen Lesern weltweit wesentlich höher geschätzt.

Exemplarische Novellen


Beliebt sind auch die »Novelas ejemplares« (1613; deutsch »Exemplarische Novellen«), zum ersten Mal vollständig im Jahr 1753 von Conradi unter dem bezeichnenden Titel »Satyrische und lehrreiche Erzählungen« nach einer französischen Übersetzung weiter ins Deutsche übersetzt.

Durch diese Kompilation 12 kurzer Erzählungen wird Cervantes Saavedra zum Schöpfer der modernen spanischen, am Vorbild der Italiener orientierten Novelle, die im literarischen und moralischen Sinne beispielhaft sein will.

Bei den »Novelas ejemplares« können realistische und idealistische Novellen unterschieden werden. Realistisch sind z. B.: »Rinconete y Cortadillo« und »El coloquio de los perros«, beide am Modell des gesellschaftskritischen Schelmenromans orientiert. Die Thematik letzterer Novelle wird wieder aufgenommen u. a. von E. T. A. Hoffmann in »Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza«. Ebenfalls realistisch ist »El licenciado Vidriera«, dessen Protagonist wie Don Quijote dem Modell des verrückten Weisen entspricht.

Idealistisch sind: »El amante liberal«, »La española inglesa«, »La fuerza de la sangre«, »El celoso extremeño«, »Las dos doncellas«, »La señora Cornelia«. Zugleich idealistische und realistische Novellen sind: »La gitanilla« und »La ilustre fregona«.

Wirkung


Cervantes Saavedras literarisches Werk markiert, neben dem Gracián y Morales', den Höhepunkt der Prosa des Siglo de Oro.

Der »Don Quijote« thematisiert nach heutigem Verständnis zum ersten Mal das falsche und richtige Lesen von Romanen und das falsche bzw. richtige Anwenden des Gelesenen. Insofern ist eine hermeneutische Frage zentrales Anliegen des Romans.

In Cervantes Saavedras Roman werden außerdem erstmals absolute Gewißheiten durch erzählerische Perspektivenwechsel und Meinungspluralität relativiert.

Cervantes Saavedra eröffnet damit, gleichzeitig mit R. Descartes, das Zeitalter der Moderne.

Sein Werk übt einen bedeutenden Einfluss auf die Geschichte der Weltliteratur aus und hinterließ Spuren bei Autoren wie Fielding, Sterne, C. M. Wieland, J. W. Goethe, J. Austen, B. Pérez Galdós, J. L. Borges, oder F. Dostojewski.


Der Premio Miguel de Cervantes ist der höchste spanische Literaturpreis.

Projekt Gutenberg bei Spiegel Online

Seiten des Cervantes-Projekts (U. a. mit Werken Cervantes', teilweise illustriert, im Original und in der englischen Übersetzung, Seite in Englisch)


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