Danke LIENCHEN, dass Du bei uns warst

Hierhin wollte sie an ihrem ersten Tag in Heisterberg mit aller Entschlossenheit: Die höchste Stelle im Hause. Genau von hier aus hat sie uns nach beinahe sechs Jahren auch wieder verlassen. Adieu LIENCHEN!

HEISTERBERG, Donnerstag, 15. Februar 2018

Eines Tages im Fühjahr 2012 fragte uns Nadja, der Mensch des feinen Araber Rappen Sahrib am Saalbachhof, ob wir bei uns zuhause noch ein Plätzchen für eine ganz kleine Katze hätten. Da die Antwort von Elke, unserer Fachfrau für Katzen- und entsprechende Fragen lautete: "Na klar doch!", wechselte ein sehr angenehm eigenartiges, hochadeliges Lebewesen von der Dill in den Hohen Westerwald.

Bei uns LIENCHEN, LIENE bis LINEMAUS genannt (der "amtliche Züchter-Name" war schlicht nicht brauchbar!), war nach unseren Erfahrungen mit verschiedenen Ausprägungen katzenartiger Lebewesen, nicht nur individuell, das sowieso, das bis dahin absolut eigenartigste, all die weil zur Rasse der British Short Hair (BSH; BKH, Britisch Kurz Haar) gehörend. Hervorstechendes Merkmal, neben dem breitesten Lachen von Ohr zu Ohr, LIENE war DIE unaggressivste, liebenswürdigste Katze, mit der wir jemals Lebensraum und Zeit teilen durften.

Ein Kätzchen, leicht wie eine Feder, das eins mit ultimativer Entschiedenheit nicht brauchte: Hoch gehoben werden! Dieses resolut-nicht-angehoben-werden-wollende Kätzchen lernte dann aber dennoch, über die Jahre, gebettet in nicht auch nur ein einziges Mal enttäuschtes Vertrauen, den Lehnenumgang von Elkes Sessel in "Schwindel erregender" Höhe zu umkreisen und über deren Beine und den Fußpuff auf- und abzusteigen. Eine riesige und offensichtlich immer wieder von ihm selbst, wonnig schnutternd genossene Mutleistung, kombiniert mit einem vertrauensvoll seligen Aufenthalt, geborgen in Elkes Armen und Schoß.

LIENE auf dem Balkon

Unter Kennern gehören Katzen ja schon ganz allgemein zu den Lebewesen, die beständig auf eine unvorstellbare Menge von Haaren verzichten können. Was dieses besondere Merkmal betrifft, gehörte LIENCHEN - nach den Erfahrungen ihrer regelmäßigen Fellpflegerin Elke - noch einmal in eine genz besondere eigene Liga. Nach inbrünstigen Kämmsitzungen saß dann stets ein kaum verändert erscheinendes, vergnügtes Kätzchen vor Elke und einem Berg von Haaren und schien fröhlich zu trällern: Nur keine Müdigkeit! - Weiter machen!

Nach zwei Jahren LIENCHEN, in Dreiergesellschaft mit zwei Menschen, gesellte sich ein kleiner Katzenrebell und "Straßenkreuzer", NICKI, dazu. Ein Wirbelwind, der LIENE unentwegt auf den Fersen war. Der nun, das kann man getrost in seinem Namen sagen, schmerzlich ihr vorsorgliches Pfauchen vermisst, wenn er sich ihr auch nur näherte, besonders aber während und sogar zeitlich versetzt, nachdem er in Kolisionskurs über sie hinweg gesprungen war. Dennoch, auch LIENCHEN schien mit der Zeit zunehmend NICKIs zunächst lästige und aufdringliche Aufmerksamkeit als eine durchaus angenehme Bereicherung ihres arteigenen geselligen Lebens zu schätzen.

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Man muss wohl bei Britisch-Kurzhaar (Rasse Portrait) nicht unbedingt an ein besonders ausgeprägtes Beispiel von Qualzucht denken. Aber nicht nur wg. der vakuumverpackten Breckies, LIENCHENs Ernährung hatte etwas sehr Spezielles. Gegen Ende ihres Lebens häuften sich mehr oder weniger heftige Anfälle von Erbrechen. Besonders nach dem Heißhungergenuss von abgeleckten Tellern ihrer Menschen. Das Abendbrot musste man nicht selten regelrecht gegen ihre resoluten, wenn auch immer liebenswürdigen Hungerattacken verteidigen. In der letzten Phase ihres Lebens behielt sie aber fast nur noch pürierte Nahrung bei sich.

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Liebes LIENCHEN, Deine unaufdringliche Anhänglichkeit werden wir immer mit Dankbarkeit erinnern. Besonders in Deinen letzten Tagen suchtest Du intensiv unsere Nähe, auch noch einmal im Schlafzimmer. Der Besuch von fünf Zweibeinern aus Stade und Kopenhagen - Anlass für den Rebellen NICKI, sich in mutiger Panik unter dem Bett zu verkriechen - war für Dich Anlass, vergnügt durch eine mehr als verdoppelte Horde zu wuseln. Bis zum Ende in dieser Welt ließ Dich Deine stets jugendlich erscheinende Greisenverfassung (eine zauberhafte Eigenschaft der Katzenartigen?) immer wieder die Treppe hinauf zum Balkon steigen, frische Luft schnuppern, die Krallen wetzen und NICKI Revanche-ärgern?!.

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Mein (K) schwerster Augenblick mit Dir kam am Freitagmorgen, 16. Februar 2018, als Elke mich unters Dach schickte: Schau doch mal, ob LIENE dort ist. Und Du warst dort, auf dem Bauch liegend, wie ein kleines, wuscheliges Bärchen, die Beine zu den Seiten ausgebreitet. Und es schien nicht nur, als würdest Du friedlich schlafen - Doch - Dein Leib war fest und kühl, obwohl Dein Fell, buschig wärmend ausgebreitet, wie in lebendiger Funktion wirkte. Ein beängstigender Widerspruch der Wahrnehmung, der dem Wunsch, alles möge "in Ordnung" sein, leider nur kurz dienen konnte.

In diesem heftigen Schlag von Trauer: LIENCHEN ist tot!, lag allein ein tröstender Eindruck: Es war, als wäre Deine stoffliche Gestalt, Dein Körper, genau in dem Moment und nur für uns, noch einmal festgehalten worden, als Du - eher in freudiger Überraschung, ganz bestimmt nicht leidend - in einen wunder neuen Raum, in eine wunder neue Zeit hinüber geglitten bist. Wir wollen es uns so, oder so ähnlich vorstellen.

Dein Platz ist nun in der lockeren Erde des Gartens, den Du auch mehrmals mit Mut und Deiner stets resoluten Risikofreude bestöbert hast. Wenn auch die Wohnung Deine Welt war, dieser Winter hat den Garten genau bis zu diesem sonnigen Freitag im Februar des Jahres 2018 genau so und genau für Dich aufbewahrt.

Danke für die Zeit mit Dir, LIENCHEN. Wir wissen nicht wann und wo, aber wir werden uns wiedersehen. Bis dahin hast Du einen sicheren Platz auch in unseren Herzen. Adieu LIENEMAUS.

Elke und Karlheinz.

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