Michael Jackson – In the can – So? 


Eine kleine Melange aus:
- „Liz Taylor reloaded“,
von Michael Althen,
aus dem Artikel: „Es war einmal“, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 2009-06-28,

- „Audiovisuelle Erweckung, Wie Michael Jackson einmal den Videoclip erfand“,
von Tobias Kniebe,
Süddeutsche Zeitung, 2009-06-27/28,
- "Für immer Kind", Michael Jackson lebte den wild gewordenen amerikanischen Traum. Zurück bleiben nur peinliche Epigonen,
von Joey Goebel,
aus dem Englischen von Hans M. Herzog, DIE ZEIT, 2009-07-02
,
- "Auf schlüpfrigem Grund",
von Richard Wagner,
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Nr. 27, 2009-07-05, und:
- „Eigentlich wollte ich Dir gar nichts sagen. ...“,
von Karlheinz 


... Du willst der König der Populären Musik gewesen sein, ich war niemals einer Deiner Untertanen. Im Jahr 82 des letzten Jahrhunderts soll es gewesen sein, dass Dein „Thriller“ die Welt schrumpfen ließ. Nicht nur ein ganzes Land, der ganze Planet hörte angeblich den selben Song. Alle Welt, nur ich nicht. Peinlich? Nee! Das war damals nicht meine Musik, ist es heute noch immer nicht. Disco und Soul habe ich schließlich auch verpasst. Bis heute ohne die geringsten Nachwirkungen. Den Mann mit dem Handschuh fand ich affig, der dauernde Griff in den Schritt schien mir das Gegenteil von dem, was er bezwecken wollte(?!).

Michael Jackson: Freak, Zwitterwesen, nicht weiß, nicht schwarz, Liz Taylor reloaded, nicht Männlein, nicht Weiblein, Peter Pan, der seine Unschuld im Nimmerland verlor. Als das ewige Versprechen des Pop hat er die Jugend zweier Generationen womöglich wirklich als König Jackson auf eine Weise begleitet, dass sie von seinem Tod erschüttert ist.

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Dezember 1982, von MTV ahnte noch keiner was. Glück! Doch da: Zu Monster Bässen in einer Vorstadt Disco Nacht, traf eine epochemachende Idee des Videoclips - viel mehr als Musik, viel tiefer als Kino - mit voller Wucht direkt in den Bauch. Michael Jackson, Prophet einer neuen, unfassbar aufregenden Zeit, tanzte in fröhlich durchgruselten Fernsehabenden über Friedhöfe, während Zombies im blauen Gegenlicht aus ihren Gräbern krochen. Der Prophet und Anführer dieses Zombie Balletts verschaffte den euphorisierten Disco Hopsern und Zombie Adepten ein audiovisuelles Erweckungserlebnis. So viele Konsumenten wie diesen hat nie wieder ein Videoclip gehabt. Wow! Wenn schon Milliarden von Fliegen sich nicht irren können, Milliarden von Jackson Fans aber doch wohl ganz bestimmt nicht! Erschüttert wankten die Zombie Adepten im Winter 82 aus ihrer Dorf Disco, hinaus in die kalte Nacht.

Erschütternd, was mir da alles entgangen ist. Musik Videos laufen immer noch auf lowest budget Basis in meiner Beule zwischen den Schultern ab, oder wenn schon via Sehrinde, dann sehr gerne als visuelles Protokoll eines Auftritts mit ruhiger Kamera und eben solchem Schnitt. Bei aller kinematographischen bzw. bald wohl nur noch IT Handwerkskunst der Clip Macher: Die größte Zahl ihrer Bemühungen kommt bei mir als Bevormundung, Beleidigung meines Vorstellungsvermögens, kurz als Störung und Vermiesung des Musikgenusses an. Und wenn ich mich nicht irre, geht es doch wohl um Musik – Oder? Zirkusreifes wie peinliches Tanz Gezappel gehörte für mich noch nie (auch vor MJ!) dazu. Und überhaupt: Nicht nur EmTiWie ist überflüssig.

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Mein erster Gedanke, als ich von seinem Tod erfuhr: Jetzt sind die Achtziger wirklich tot. Reagan sagte zu Michael: "Ihr Erfolg ist der wahr gewordene Amerikanische Traum." Es war der wild gewordene Amerikanische Traum. Der mutierte Traum. Mir fällt kein anderer Fall ein, wo sich der Amerikanische Traum so spektakulär und grotesk entlud:

Mögen Sie Vergnügungsparks? Michael Jackson wohnte in einem.
Mögen Sie Affen? Michael Jacksons bester Freund war einer.
Würden Sie sich gern die Knochen des Elefantenmenschen beschaffen, als Spielzeug, zu Ihrem Amüsement?

Jacksons Leben, MTVs Antwort auf den Großen Gatsby, wirkte wie ein warnendes Beispiel dafür, was passiert, wenn man sich alle Wüsche erfüllen kann. Seine unbegrenzten Mittel erlaubten ihm, Kinder (und ihre geldgierigen Eltern) nach Neverland zu locken, was seinen Untergang besiegelte.

Wie alle(?) anderen bin ich der Meinung, dass Michael Jackson den Status einer Ikone (Heiligenbildchen) verdient hat. Ich gestehe aber, dass ich Sinatra, Elvis und den Beatles (und...) einen höheren Rang zubillige. Seine Musik scheint mir nicht zeitlos zu sein; Sie ist unverkennbar Pop der Achtziger. Aber, wenn ich mir so ansehe, wie sehr die Popmusik in den letzten zwanzig Jahren auf den Hund gekommen ist, verglichen mit dem, was heute als Musik durchgeht, klingen Michael Jacksons Songs wie die Werke eines klassischen Komponisten.

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Unbegreiflich, was alles in diese traurige Figur, die Michael Jackson war, hineingeheimnist wird. Welches Leben führen Leute, die allen Ernstes in Jackson einen „postmodernen Verwandlungskünstler“ sehen, dessen Rollenpolyphonie exemplarisch für eine zur Selbstverwirklichung befreite Subjektivität stehen soll? Eine Subjektivität, die sich immer dann neu erfindet, wenn ihr die momentane Verfestigung zu einer Person nicht mehr in den Kram passt. Achtung für sich selbst und andere, Verantwortung gar, können auf derart schlüpfrigem Grund schwerlich gedeihen. Die unseligen, krankhaften Selbstmodellierungen Jacksons waren darum nie Akte der Befreiung, sondern der Selbstzerstörung durch eine kranke Phantasie.

Das Schlimmste ist, alle konnten es sehen, aber niemand hat etwas unternommen. Wenn ein erwachsener Mann sich ein Zuhause schafft, das einem Rummelplatz nachempfunden ist und dort mit einem in Windeln verpackten Schimpansen das Zimmer teilt, sollten die Alarmglocken läuten.

Jetzt werden seine CDs die Charts stürmen, jetzt steht eine Beerdigung ins Haus, die die Trauerhysterie um Lady Diana in den Schatten stellen wird – was soll’s. Man kann ja glücklicherweise das Radio stumm lassen, den Fernsehapparat und PC blind – und dann, tja, vielleicht Sgt. Pepper auflegen.

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Poor Michael – Your last clip is in the can.
Nun hast Du Ruhe vor Deinem Familien Clan, Deinen abgedrehten Fan Stalkern, der hirnlosen, unerbittlichen Welt der Pop Musik und ihren ebensolchen Paparazzis.
DAS gönne ich Dir von Herzen, auch wenn ich nie zu Deinen "Untertanen" gehörte und gehören werde.

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