Zu jung zum Sterben

David Crosby ist 70


Exzerpt aus einem Artikel von Karl Forster
in Süddeutsche Zeitung, 13./14./15. August 2011


Warum sich David Crosby den Spleen genehmigte, die tiefe E-Saite seiner Gitarre einen Ton höher zu stimmen und sich dazu ein eigenes Griff-System zu basteln, mag der Versuch gewesen sein, den musikalischen Konventionen ein Schnippchen zu schlagen. Vielleicht aber auch, Myriaden von Lagerfeuergitarreros in den Wahnsinn zu treiben, beispielsweise beim Bemühen, „Wooden Ships“ mit dem richtigen Sound zu versehen.

David Crosby, das ist mehr als nur ein Name in der Rock-Geschichte, in der Hall of Fame, oder Namensteil einer Band von musikhistorischer Bedeutung.

Das Leben von David Crosby ist vielmehr ein Destillat aus der Klischee gewordenen Dreieinigkeit von Sex & Drugs & Rock’n’Roll. Ein Musiker, der feinsinnigen Songs wie „Marakesh Express“, „Teach Your Children Well“ oder „Déja Vue“ Geist, Seele und Stimme geliehen hat, hat sich die Nasenscheidewand kaputt gekokst, hat mit Heroin und Alkohol seine Leber zerstört, so dass ihm anno 1994 eine neue eingepflanzt werden musste.

Knapp zehn Jahre zuvor verbrachte er ein Jahr wegen Drogen- und Waffenbesitzes in einem der härteren texanischen Gefängnisse. „Von Beginn an“, so schreibt Crosby 1986, kurz nach der Haft, in seiner Autobiographie, “habe ich niemals etwas ohne Drogen getan.“

Das war auch so, als er mit den Byrds dem Bob Dylan Hit „Mr. Tambourin Man“ zu einem zweiten Höhenflug verhalf.

Crosby, Stills, & Nash wurden, auch in Kombination mit dem vierten Namen „Young“ zum Inbegriff hochmusikalischen Folkrocks, was bis heute unter dem Signum Westcoast-Sound Sehnsüchte nach Crosbys Geburtsstadt Los Angeles weckt.

Anspruchsvolle Arrangements, sauberste Mehrstimmigkeit und ambitionierte Texte waren Markenzeichen der Dreier-(Vierer-)Combo.

Zwischen mehrmaliger Trennung und Wiederfindung veröffentlichte Crosby 1989 ein Solo-Album, dessen Titel Jahre später eine Wahl entscheiden sollte: „Oh Yes, I Can“.

Heute tourt David Crosby immer noch durch kleine Säle, wieder mit einer  Kürzelgruppe: CPR. Die Buchstaben stehen  für Crosby, Pevar (Jeff, Bassist) und Raymond (James, Keyboards und Gesang).

Dieser James Raymond aber ist vor allem David Crosbys Sohn. Der wusste 20 Jahre lang nichts von dessen Existenz: James war Ergebnis einer nicht ganz anonymen Samenspende.

Als David Crosby mit der neuen Leber im Krankenhaus lag, fand ihn sein Sohn, wohl dank eines Hinweises der Mutter. Daraus wurde eine wunderbare Freundschaft.

David Crosby wird nun seinen 70. Geburtstag feiern. Eines der Lieder auf dem Album „Thousand Roads“ heißt: „Too Young To Die“.

Möge es auf ihn noch lange, lange zutreffen.

nach oben

.