Claude Nobs 75
(* 4. Februar 1936


Exzerpt von Karlheinz Damerow aus einem Artikel von Klaus von Seckendorff in der Süddeutschen Zeitung vom 2./3. Juli 2011

Der Gründer des „Montreux Jazz Festival“ 1967 gilt längst als eine Art Übervater der Jazzszene. Nach zwei Herzinfarkten und Rückenproblemen hat er vor einem Jahr die operative Leitung des Festivals an sein Team und den designierten Nachfolger Mathieu Jaton abgegeben. Nobs bleibt aber der große Strippenzieher.

In den sechziger Jahren wurde Nobs vom Fremdenverkehrsamt des verschlafenen Städtchens Montreux als Buchhalter eingestellt. Sein Vater, ein Bäcker, ließ den mäßigen Schüler zunächst eine Kochlehre machen. Entsprechend sind bis heute Einladungen in eins der beiden Nobs-Chalets, oberhalb der Stadt, allseits geschätzte Zeugnisse seiner Gastfreundschaft und wurden Teil des Montreux-Mythos.

Statt brav Finanzen zu verwalten, versuchte Nobs, seine Heimatstadt, die damals durch den TV-Preis Goldene Rose von Montreux bekannt war, für junge Leute attraktiv zu machen, indem er zunächst drei Diskotheken betreute. Der Durchbruch gelingt 1964, als  er den ersten Auftritt der Rolling Stones außerhalb Englands organisiert: „Damals wurde die britische Musikshow Ready, Steady, Go im Rahmen des Fernsehfestivals aufgezeichnet. Weil das lokale Publikum nicht cool genug aussah, hat man extra 60 Girls in Miniröcken und cool aussehende Jungs aus London eingeflogen.“

Für dieses Spektakel stand eine für damalige Verhältnisse immense Summe zur Verfügung – ganz im Gegensatz zur ersten Runde des Montreux Jazz Festivals im Jahr 1967. Gerade mal 10 000 Dollar ist der Etat der Stadt für diese dreitägige Veranstaltung. Die Premiere mit Keith Jarrett und Charles Lloyd hatte jedoch gute Resonanz.

Die späteren Versuche, das Massenpublikum durch Popstars zu gewinnen sind zwar wirkungsvoller, erregen aber den Argwohn der Jazzpuristen. Nobs Einladung von Deep Purple, die nach einem Brand im Kasino hier „Smoke On The Water“ komponierten, machte die Stadt zur Rock-Metropole der Schweiz – und den Festivalmacher verdächtig als angeblicher Verräter des Jazz: „Meine Lust am unverfrorenen Stilbruch wurde von Puristen verächtlich ‚Salade Nobse‘ genannt. Aber ohne ein derart buntes Programm hätte das Festival niemals die heutigen Dimensionen erreicht.“

2010 kamen 230 000 zum Festival, das Zehnfache der Einwohnerzahl von Montreux. Der Etat für das mittlerweile 16 Tage lange Großereignis liegt bei etwas mehr als 17 Millionen Euro (21 Millionen Franken). Zur Zeit des Festivals arbeiten mehr als 1200 Leute für Nobs, fest angestellt sind zwanzig.

 Geld verdient er keines mit Montreux-Jazz – „mal abgesehen davon, dass ich viele Reisen machen kann, und die Spesen ersetzt bekomme“. Auf Geld ist er heute aber auch nicht mehr angewiesen, nachdem er 30 Jahre die Schweizer Niederlassung des Musikkonzerns Warner leitete und sein Netzwerk ausbaute. „Vor allem in den 70ern boomte die Musikbranche, und meine Vorgesetzten haben es stets sehr gut gemeint.“

Nobs kennt fast alle Legenden des Jazz und Pop. Viele sind in seinen Chalets zu Gast. „Sie sagen nicht: ‚Wir gehen nach Montreux‘, sondern: ‚Wir gehen zu Claude‘ … und genießen den Ausblick auf den See oder lassen sich Montreux-Aufnahmen aus meinem Archiv mit 5000 Stunden Musik heraussuchen.“ Auch heute noch hält der Mann aus Montreux an seinen Usancen fest: „Häufig existiert gar kein Vertrag mit den Künstlern. Ich schicke den Musikern einfach ein Flugticket, und sie kommen alle.“

Dass so ziemlich alle Wichtigen schon da waren, zeigt die Dokumentation zum 40. Jubiläum des Festivals: „Live! From Montreux“, vier prächtige Bildbände mit Anekdoten und Künstlerportraits. Nobs arbeitet schon am nächsten Projekt: Vom Fernsehen aufgezeichnete Konzerte will er digitalisieren lassen und als Live-Enzyklopädie ins Internet stellen.

Ein paar fehlen Nobs noch, unter Anderen Madonna. Da werden sich die Jazzer aber freuen ...?!?

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