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Brian Wilson

Genialischer Popkomponist und rückkehrender „Beach Boy“

von Andrian Kreye
Süddeutsche Zeitung
19. Dezember 2011


Die Nachricht, dass sich die Beach Boys im nächsten Jahr wieder vereinen, um nach dreißig Jahren erstmals wieder mit ihrem einstigen Kopf und Bassisten Brian Wilson ein Album aufzunehmen und auf Tour zu gehen, ist eine getrübte Sensation.

Es waren schließlich drei Wilson-Brüder gewesen, die den Kern jener Band bildeten, die den (US)-amerikanischen Pop gleich zweimal revolutionierte. In den frühen Sechzigern mit Surf-Hits wie „Surfin‘ USA“, „I Get Around“ und „Barbara Ann“. Später mit epochalen Alben wie „Pet Sounds“ und „Surf‘ Up“.

Denis ertrank 1983 im Yachthafen von Marina del Rey. Carl starb 1998 an Lungenkrebs. Da war der heute 69-jährige Brian längst aus der Gruppe ausgeschieden.

Obwohl all die Songs, die ihn bekannt machten, innerhalb von sechs Jahren entstanden, gilt Brian Wilson als der wichtigste Komponist in der kurzen Geschichte der (US)-amerikanischen Popmusik.

Zum Star war er nicht geboren. Deswegen kostete es ihn Sinn und Verstand, als er 1967 versuchte, das perfekte Popalbum zu produzieren. „Smile“ sollte es heißen.

Im Jahr zuvor hatte Wilson das epochale Beach-Boys-Album „Pet Sounds“ veröffentlicht. Darauf fand sich schon so etwas wie der perfekte Popsong – mit „God Only Knows“ brachte Wilson die fatalistische Melancholie eines Verliebten in drei bittersüßen Minuten auf den Punkt.

„Pet Sounds“ hatte dann die Beatles zu ihrem Meisterwerk „Sgt. Pepper’s Lonly Hearts Club Band“ inspiriert.

Nun wollte Wilson wiederum die Beatles ausstechen und eine „Teenager-Symphonie für Gott“ schreiben. Die Trümmer der monatelangen „Smile“-Aufnahmen kamen erst im Herbst dieses Jahres zum ersten Mal offiziell heraus.

Wilson war noch während der Aufnahmen in einen Nebel aus Drogen, Depressionen und Wahn abgerutscht. In den folgenden Jahren trat er so gut wie nicht mehr auf. Er schrieb und produzierte nur noch unregelmäßig. Nach dem Tod seines Vaters im Sommer 1973 verbrachte Wilson über zwei Jahre in seinem Schlafzimmer.

Es gibt vom Ende dieser selbstzerstörerischen Phase ein trauriges Dokument, einen Sketch aus der Comedy-Sendung „Saturday Night Life“. Da stürmen die späteren „Blues Brothers“ John Akroyd und John Belushi in Polizeiuniformen Wilsons Schlafzimmer und verhaften ihn, weil er, der Beach Boy, nicht an den Strand gehen, geschweige denn surfen wolle. Sie schleppen den verfetteten Wilson dann an den Strand, wo er im Bademantel vergeblich versucht, ein Surfbrett zu besteigen.

Es dauerte bis 1988, dass Brian Wilson nicht gesund, aber zumindest stabil genug war, um wieder ein Album aufzunehmen. Seither hat er ein paar Soloalben aufgenommen. Seine einstige Größe erreicht er nie wieder. Letztlich kreiste er nur um sein eigenes Vermächtnis. Und so bekam er 2005 seinen Grammy für die Neueinspielung von „Smile“-Material.

Es ist nur konsequent, dass er nun zum 50. Gründungsjubiläum der Beach Boys wieder zur Band kommt. Immerhin sind mit Cousin Mike Love und Schulfreund Al Jardine noch zwei weitere Originalmitglieder dabei.

Warum soll man Neues schaffen, wenn man ein so großes Erbe zu verwalten hat.

(Was soll dieser versteckte Vorwurf in der rhetorischen Frage. Was soll überhaupt diese hektisch-nervöse Forderung von immer wieder Neuem, so lange ein Leben nicht ausreicht, um das gute "Alte" zu genießen? Etwa, weil "große Leistungen" her müssen, um die eigene, offenbar als armselig erlebte Existenz jeder Generation aufs Neue durch ihre Zeitgenossenschaft aufzuwerten? - Tja, da habe ich gut reden, in meiner Generation wurde die Rock-Musik geboren! - Karlheinz)

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