BIERMÖSL BLOSN

- Schlussakkord

- Wie die Auflösung der Kultband „Biermösl Blosn“ den Wandel im Land widerspiegelt

- Der anarchische Kern


Schlussakkord

Sie sind die Heiligen der Opposition, der Stachel im Fleisch der CSU, der Stolz aller, die bayerisch sind, ohne zu tümeln: Nun trennt sich die Biermösl Blosn.

Ein bayerisches Trio, das sich mit Gerhard Polt geradezu organisch zum politischen Quartett ergänzte: Christoph, Hans und Michael Well, die drei Brüder aus dem Weiler Günzlhofen bei Fürstenfeldbruck, haben die Kunst- und Politszene in Bayern über Jahre hin bewegt. 35 Jahre lang spielten sie zusammen. Nun gehen sie auseinander.


Exzerpt aus einem Artikel
von
Thomas Thieringer und Karl Forster,
Süddeutsche Zeitung,
26. August 2011


Das Volksmusikanten-Trio der drei Well-Brüder Hansi, Michael und Stofferl, das sich einst den Namen nach der Region ihrer Herkunft gegeben hat, dem Biermoos bei Günzlhofen, wird ein konzertfreies Jahr einlegen. Stofferl, der jüngste, der die Trompete virtuos beherrscht, möchte, nachdem er fünfzig geworden ist, noch Instrumente wie den schottischen Dudelsack spielen lernen.

Hans Well, der Älteste der drei, strebt aktuellere Texte an, eine schärfere politische Pointierung der Programme, in denen ja auch Gerhard Polt seinen festen Platz hatte als verbaler Kontrapunkt zur virtuosen Musikalität der Brüder. Polt, der wie kein anderer dem Volk aufs Maul schaut und aus diesen Augenblicken große Satire macht.

Das soll jetzt alles vorbei sein?

Die Karriere von Hansi, Michael und Christoph Well begann zu jener Zeit, in der in München mit den Musiklokalen „Muh“, dem „Song Parnass“ und etwas später dem „Robinson“ die Kleinkunstszene erwuchs, ein buntes Durcheinander von wild wuchernden Kulturblüten aus Literatur, Musik und Schauspielerei. Man traf sich beim Rundlauf durch die Lokale … und bald kamen die ersten Feuilletonisten ins Haus, wenn die Wellbuam mal wieder am Werk waren.

Das lag auch an der grandiosen Musikalität, mit der Stofferl, der jüngste, die Trompete blies. Schon als Teenie war er von Sergiu Celibidache als  Solotrompeter zu den Philharmonikern geholt worden. Auch Michael war dort in Ausbildung, an der Tuba. Hans, der Älteste und Denker, sorgte an der Ziehharmonika fürs harmonische Fundament.

Bei der ersten Zusammenarbeit mit den Münchner Kammerspielen 1984, war im Programm „München leuchtet“ auch Gerhard Polt mit dabei, was schließlich zur Symbiose führte.

Ob es einem Sepp Daxenberger – Gott hab‘ ihn selig – gelungen wäre, ohne die Vorarbeit der Günzlhover Musikanten so in die politische Landschaft einzusteigen, darf gefragt werden. So war ihr Auftritt bei dessen Beerdigung nicht nur obligat, sondern Zeichen wahrer Freundschaft.

Von Wackersdorf bis zum Isental, wo immer schwarze Politik verbrannte Erde zu hinterlassen drohte, wo immer die Hierarchie der CSU sich durchdrückte gegen den Willen der Bürger, waren die Biermösl Blosn mit Trompete, Alphorn, Dudelsack und irischer Flöte dabei. Vom scharfen Wort ganz zu schweigen…

Doch längst schon hatte das erwachsen, das älter werden, Verantwortung nicht nur für die Combo, sondern auch fürs Zuhause übernehmen, wohl auch unterschiedliche Temperamente, wenn auch nur kleine Distanzen zwischen die Brüder getrieben. Ihre professionelle Routine half zunächst über solche Divergenzen hinweg.

Dennoch meint Hans Well heute: „Ich habe die Biermösl Blosn nie als Auslaufmodell gesehen. Sie hat sich immer wieder erneuert. Aber es darf auch nicht sein, dass wir als Papageien enden, die nur noch ihre eigenen Texte aufsagen.“ Da seine Brüder mehr an Musikalischem denn an der politischen Agitation interessiert sind, kam es zum schon lange beschlossenen Ende.

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Gott mit Dir, Du Land der BayWa,
deutscher Dünger aus Phosphat.
Über Deinen weiten Fluren liegt Chemie
von fruah bis spaat.
Und so wachsen Deine Rüben,
so ernährest Du die Sau.
Herrgott, bleib dahoam in Himmi,
mir hom Nitrophoskablau.

CD „Grüss Gott, mein Bayerland“, 1982

Grüaß Di God, Autobahn,
pfia Di God, Auerhahn!
Grüaß Di God, Heimatmuseum,
grüaß Di God Squashzentrum!
Grüaß Di God, AKW,
Grüaß Di God, Co.KG!
Grüaß Di God,
ois‘ beinand,
tschüß Bayernland!

Biermösl Blosn auf dem 5. Anti-WAAhnsinns-Festival 1986 in Burglengenfeld: „Tschüß Bayernland“, 1986

Hafenstraß, Vatikan, CSU -
wie reimt sich das zusamm?
Die Hafenstraß ist multikulturell,
der Vatikan ist multifinanziell,
die CSU ist multikriminell,
so reimt sich das zusammen,
so reimt sich das zusammen.

CD „Wo samma“, 1994

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Wie die Auflösung der Kultband „Biermösl Blosn“ den Wandel im Land widerspiegelt


Exzerpt aus dem Artikel
von
Annette Ramelsberger
in der Süddeutschen Zeitung,
27./28. August 2011


Ob in Ahrensburg, Lüdenscheid oder Reykjavik, wenn die drei von der Biermösl Blosn anfangen zu spielen, dann ist ihre Botschaft überall verständlich: Sie sind der Stachel im Fleisch der Obrigkeit, die anarchische Seele des Volkes. Bitterböse Kritik und wunderbare Heimatklänge treffen ungeschützt den Nerv derer da oben.

Als die Biermösl Blosn 1976 anfingen, da lebte Franz Josef Strauß noch und die Dreieinigkeit von Staat, Kirche und CSU war unerschütterlich. Da schaltete sich der Bayerische Rundfunk aus Scheibenwischer-Sendungen aus, und die Regierung wollte die Wiederaufbereitungsanlage für Atombrennstäbe in Wackersdorf durchsetzen. Die Mehrheit im Lande war konservativ, und wer daran etwas auszusetzen hatte, dem empfahl sie: „Geh‘ doch nach drüben!“ Menschen, die ihre Heimat liebten und trotzdem nicht CSU wählten, konnten sich fremd fühlen im eigenen Land.

Die Biermösl Blosn haben das geändert. Als sie in ihrer subversiv umgetexteten Bayernhymne „Gott mit dir, du Land der BayWa“ den einheimischen Agrarkonzern angingen und damit die Naturzerstörung geißelten – da begann eine musikalische Rückeroberung der bayerischen Kultur. Die Biermösl Blosn hat – zumindest musikalisch – die Enteignung des Begriffs Heimat durch die CSU Schritt für Schritt, Lied für Lied, rückgängig gemacht. Sie hat das Zerrbild des Jodel-Bayern ersetzt durch messerscharfen Witz und intelligente Boshaftigkeit.

… Die Biermösl Blosn hat gewonnen. Sie hat gegen Wackersdorf gespielt, gegen die Unverantwortlichen bei der Bayerischen Landesbank und gegen die Verantwortlichen in der Regierung. Sie war wirksamste Opposition. Nun aber ist sie nicht mehr kratziger Außenseiter, sondern gehätscheltes Kulturgut: Von allen geliebt, kein Aufreger mehr.

Man könnte sagen: Auftrag erfüllt.

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Der anarchische Kern

Die Biermösl Blosn hat die Volksmusik dem Volk zurückgegeben –
als List der Schwachen gegen die Obrigkeit


Exzerpt aus dem Artikel
von
Michael Frank,
Süddeutsche Zeitung,
27./28. August 2011


„Wir haben von Anfang an gestritten, wir sind doch eine Familie!“, sagt Hans Well. Immerhin 35 Jahre, die die Well-Brüder als Biermösl Blosn durchgehalten haben. … Wo andere in der berauschenden, aber auch bedrohlichen Konfrontation mit den Launen des Publikums nach kurzer Zeit scheitern, kommt den Dreien von der Biermösl Blosn das Ende ihrer gemeinsamen Auftritte nach so langer Zeit fast wie Verrat an denen vor, für die sie mit Leidenschaft, Spott und hinterkünftiger List musiziert haben.

Michael, der Mittlere, der Organisator, die strukturierende Seele der chaosgeneigten Truppe, sagt: „Wir haben das Gefühl, dass das Gemeinsame, das unsere Arbeit verbunden hat, nicht mehr wirklich funktioniert.“

Tibor Elas, ein slowenischer Großmeister der Volkskunst, hat gesagt: „Ihr Deutschen seid ehrlich. Ihr sagt: Wir pflegen die Volksmusik. Wen pflegt man? Einen Schwerkranken!“ So ist es gewesen, als die Biermösl Blosn 1976 irgendwo zwischen Oberbayern und Schwaben auftauchte, bis sie mit der fabelhaften Umdeutung der Bayernhymne „Gott mit Dir, Du Land der BayWa“ schlagartig berühmt wurde, dafür aber dem Fluch des Bayerischen Rundfunks und erst recht der CSU anheimfiel.

Was für ein Glück. Dieses Feindbildrepertoire, in dem die CSU stellvertretend für das Reaktionäre und die verlogene Seite von Tradition stand,  hat weit getragen.  

Nun haben sich die drei Geister an der Neudeutung des eigenen kritischen Ansatzes selbst geschieden: Was sollen  wir Lieder, die stimmen und wunderbar ankommen, aufgeben, war die fröhliche, die musikantische Position. Wir müssen uns entwickeln, erneuern, müssen die Widerhaken im satten Maul der Zeit bleiben, die andere, die intellektuelle Position.

Hans ist gegen die Trennung, obwohl er schon vor Jahr und Tag einmal aufhören wollte. Michael und Christoph halten das Ende für schmerzlich, aber unausweichlich.

Immerhin haben die Drei Geschichte gemacht. Die Biermösln haben die Volksmusik wieder in ihr Recht versetzt, haben sie repolitisiert, was sie – bei all ihren rührseligen und süßen Einsprengseln – früher immer gewesen ist. Allzumal bayerische Volksmusik, die immer auch auf Wilderer- und Räuberlob aus war. Aber die Volksmusik war „hoffnungslos verlogen“, sagt Hans Well, „wenn eine hehre Bauernwelt besungen wurde, während die Atomkraftwerke längst hinterm Hof standen.“

Die Biermösln griffen die alte widerborstige Tradition neu auf, gaben dem Volkston seinen antiklerikalen, obrigkeitsfeindlichen, aufrührerischen, anarchistischen Kern zurück. Dogmatiker schmähten sie dessentwegen als Leute, die mit ihrer „Politik“ der Volksmusik Schande machten. Ganz im Gegenteil hat die Biermösl Blosn Fesseln gravitätischer, nach Reinheitsgeboten verfahrender Konvention gesprengt und allen satirisch und musikalisch den Zutritt zur kraftvollen Ironie des Volkswitzes wiedereröffnet.

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