Black Sabbath – „13“

Unglaubliche Texte? Rock’n’Roll schnaubt hier wie ein immens schweres Landtier


Aus dem Artikel JOACHIM HENTSCHEL


1970 begann der erste Song des allerersten Albums mit Regen, Donner, dem Mitternachtsläuten der Dorfkirche, und dann sang Ozzy Osbourne von der dunklen, furchtbaren Gestalt, die am Kopfende des Bettes steht.

Das war nicht bloß schwarze Romkantik, sondern gleich das Vorspiel in der Hölle. Irgendwer musste den Hippies ja zeigen, dass ein Blues-Akkord nicht Liebe und Frieden, sondern Tod und Verderben bedeutet, wenn man ihn nur einen Halbton tiefer spielt.

2013 sind Black Sabbath wieder da, in Zeitlupe knirschend wie die Räder des Pestwagens. Und Ozzy Osbourne singt, meckernd wie eine dicke Hexe: „Den Kampf zwischen Gott und Satan, den verliere – ich!“ Das ist nicht mehr Heavy Metal. Das ist purer Goethe’scher Faust. Metallfaust. Eine unglaubliche(?) Textzeile! Doch was bedeutet sie bloß?

„13“ ist das erste komplette Album mit Osbourne seit 35 Jahren. Nur der Original-Schlagzeuger ist nicht dabei, weil er zu viel Geld verlangte und zu leicht verzichtbar war.

Produzent Rick Rubin, der barfüßige Rock’n’Roll-Buddha aus Hollywood, hat die richtige Lösung dafür gefunden, dass Black Sabbath nicht nur eines ihrer besten Alben gelungen ist, sondern überhaupt eine der verblüffendsten, scharfkörnigsten Rockplatten der jüngsten Zeit. Rubins Lösung: Erzähl die Geschichte einfach noch einmal.

Und „13“ klingt so vorbildlich monoton, ausnahmslos schleppend, exzeptionell tieftönig, dass man eine Stunde lang nicht an Schwermetall der Siebziger zu denken wagt. Rock’n’Roll schnaubt hier wie ein immens schweres Landtier. Doch irgendwie sind die Gitarren gitarriger(?), die Songs länger, die Soli ausschweifender als früher.

Alles, was Leute an Heavy Metal hassen, steht bei den Black Sabbath von 2013 in voller, mooriger Blüte. Mit Rubins und digitalen Hilfsmitteln ist die Show nun so perfekt, wie sie früher immer gedacht war(?die war schon „früher“ perfekt!).

„Gib mir den Wein, das Brot kannst Du behalten!“ jault Ozzy Osbourne in „God Is Dead?“, biegt dann von Schopenhauer kurz Richtung Freud ab und fasst das letzte Schirrmacher-Buch in einem Schüttelreim zusammen. So vermessen und albern das klingt, Black Sabbath waren ja immer Moralisten.

Im bittersten, größenwahnsinnigsten, letzten Stück der Platte, „Dear Father“, kündigt der Sänger den Vatermord an als Vergeltung für den Missbrauch, den er als Kind erlitten hat. Plötzlich fragt man sich, wer die dunkle Gestalt am Bett wohl tatsächlich war, von der Osbourne 1970 sang. Nur der Teufel?

Ganz am Schluss sind dann wieder Regen, Donner, Kirchenglocken zu hören. Ozzy Osbourne, der erlöste „Geist“(?) krabbelt zurück(?) in die Gruft und nimmt die Musik mit?

Ne, ne – die bleibt schön hier, wenigstens so lange ich lebe.

###

Von: e.k.damerow@t-online.de
An: forum@sueddeutsche.de
Betreff: Horror und Moral_Joachim Hentschel
Datum: 06.06.2013, 14:21

Karlheinz Damerow
Vor dem Tor 4
35759 Driedorf-Heisterberg
 

Leserbrief

zu:

Horror und Moral
von JOACHIM HENTSCHEL
Süddeutsche Zeitung, 6. Juni 2013
 

Ein Stück guter R’n’R-Kritik.
J.C. Rabe kann was lernen.

Meine Anmerkungen:

Die „alten“ Geschichten von Black Sabbath müssen nicht „besser“ erzählt werden. Die waren schon und sind nach wie vor gut. Schon lange nicht, wenn mit „besser“ die Anwendung irgendwelcher elektronischer Gimmicks gemeint ist.

Und, „furchterregendste Albtraumband des Planeten“? Das hätte ich doch wohl gemerkt. Einfach Musik, die bis heute nicht überholt wurde. Schon lange nicht durch höheres Rammel-Tempo oder noch’n Tabu-Brecherlein.

Und, von wegen, Ozzy krabbelt in die Gruft und nimmt die Musik mit. Das hätte Herr Hentschel wohl gern. Diese Musik bleibt schön hier, wenigstens solange ich lebe.

Karlheinz Damerow

###


Wer den ganzen Artikel lesen möchte, gehe zu:

Horror und Moral
Nie klang Heavy Metal so schwer und bleiern wie bei Black Sabbath. Nun hat die Band um den tattrigsten aller Rockstars, Ozzy Osbourne, ein Album aufgenommen, auf dem sie die finsteren alten Geschichten noch einmal erzählt – nur noch besser

von JOACHIM HENTSCHEL
Süddeutsche Zeitung, 6. Juni 2013


nach oben

.