„Wiedererkennen ist immer Wohlbefinden“ UDO JÜRGENS über das „Funtionieren“ von Musik Exzerpt aus DIE ZEIT No 35 Ich war nicht ordentlicher, sondern unordentlicher Schüler des Salzburger Mozarteums. Weil ich etwas getan habe, was damals verboten war: Ich habe in einer Bar gespielt. Aber dadurch hatte ich den anderen Schülern einiges voraus. Ich habe andere harmonische Wendungen gefunden als die, die im Unterricht gelehrt werden. Das ist eine Spezialität von mir. In meinen Liedern sind kleine Kostbarkeiten versteckt, auf die mich Musiker ansprechen: Mensch, der Übergang ist aber wirklich ungewöhnlich!... Wenn der Refrain gut ist, hat ein Hörer ihn beim zweiten Mal verinnerlicht. Er freut sich schon im Unterbewusstsein, wenn er kommt. Das ist ein ganz wichtiges Gefühl. Was da chemisch vorgeht, weiß ich nicht, aber es ist ein Wohlbefinden, Wiedererkennen ist immer Wohlbefinden... Ich war noch niemals in New York ist der unvorhergesehenste Hit, den ich je hatte. Das habe ich 1989 veröffentlicht, und zwölf Jahre später ist es ein Hit geworden. Studenten in Freiburg begannen das zu spielen, dann wurde es in Österreich in den Skihütten aufgelegt, und heute ist es der Titel eines Musicals... Ich mache Lieder, um mir selbst zu helfen. Ich habe vor vielen Dingen im Leben Angst, ich habe Angst, wenn ich sehe, dass Öl ins Meer fließt. Aus meiner persönlichen Lebenserfahrung weiß ich, dass ich diese Angst, die zeitweise zu Schlafstörungen geführt hat, am besten bewältige mit dem, was ich tue, nämlich Musik machen... Ich wäre ohne die Musik schon längst entweder im Irrenhaus gelandet oder grausam im Leben gescheitert, denn ich verfüge nicht über große Fähigkeiten. Kriminell hätte ich auch nicht werden können, weil ich zu viel Schiss habe... Ich glaube nicht, dass man sich einen heute großen Rap-Sänger in 20 Jahren noch anhören wird. Weil die Melodik fehlt und die Harmonik. Das sind die beiden Elemente, die die Emotion erzeugen. Und was keine Emotion erzeugt, kann nicht bleiben... Wir müssen uns trennen von den Begriffen Kitsch und Banalität, all das gehört zu unvergänglicher Musik dazu... Die gesamte italienische Opernliteratur ist auch Kitsch. Schlechte Bücher, miserable Abläufe, Sterbeszenen, über die man lachen muss aber eine Musik, die uns aufwühlt und emotional zutiefst berührt. Komponiert von Genies... Ich sehe vor der Bühne erwachsene Männer und Frauen in Tränen aufgelöst dann packt es mich selbst auch. Mir passiert es, dass ich Tränen in den Augen habe und Probleme, die Töne zu kontrollieren, weil es im Moment zu stark wird... Das Tolle an Liedern ist, dass sie immer aus Text und Musik bestehen, Hirn und Herz ansprechen. Oft stört der Text die Musik oder umgekehrt. Wenn aber ein guter Text und die passende Musik zusammenkommen, dann löst das die stärksten Emotionen aus. Wer den vollständigen Artikel lesen will, gehe zu: „Wiedererkennen ist Wohlbefinden“ Von CHRISTOPH DRÖSSER und WOLFRAM GOERTZ
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