Jeff Beck
Montag, 19. Juli 2010
Einlass 17 Uhr,
Beginn
17:15 Uhr
Jimmy Bowskill
18.10 Uhr Joe Bonamassa
20:00 Uhr Jeff Beck


Lieber Jeff Beck,

„alle“ sagen, Du seiest der beste Gitarrist der Welt. Auch wenn das heute immer noch „alle“ sagen, seit gestern, 19. Juli 2010, 21.45 Uhr, Museumsplatz Bonn, „weiß“ ich es für mich persönlich noch ein bisschen genauer.

Doch zurück auf Start:
Der Montag als Konzerttag macht Elke und mir, als Pensionisten, natürlich nicht die Bohne Probleme. Ebenso wenig Helge, dem Kneipier, an seinem wöchentlichen „Ruhetag“. Der Werktätige Uwe musste dagegen beinahe Urlaub nehmen, um sich das Konzert gönnen zu können.

Wir holen beide im „bei mir“ am Volksgarten in Köln ab, umfahren Rudelbildungen von Kölner Straßen Baustellen auf Vorgebirgs- und Bonnerstraße und erreichen die Bonner Museumsmeile mit den letzten Stücken plus encore des zweiten Konzert Drittels „Bonamassa“.

Übrigens:
Wahrscheinlich sind die 53 Euro (mehr als hundert Mark! pro Nase) inclusive aller möglicher Gebühren nicht mal zu viel für das Dreier Pack Bowskill, Bonamassa und Beck. Aber was mich betrifft, der ich nun mal nur an Letzterem interessiert bin, ich fühle mich erpresst, all die weil ich gezwungen war, fast 70 Prozent von etwas mitzukaufen, das ich gar nicht haben wollte.

Wie mir allgemein die Praxis von „+ friends“, „+ special guests“, „Anheizern“, Vorgruppen... wohl unter dem Gesichtspunkt: „Gebt dem Nachwuchs eine Chance“, zur Markteinführung, als Schnupper Probe und ähnlichen strategischen Mitteln der Musikindustrie nachvollziehbar erscheint – im puren eigenen Interesse geht mir aber jede=JEDE Vorgruppe gegen den Strich.

Denn, entweder liefert sie einen Abklatsch des Haupt Akts, dann bin ich quasi nach dieser Vorspeise schon vor dem Haupt Menü satt; Oder, auch noch peinlich, die Vorgruppe ist „besser“, oder einfach nur gut, aber ganz anders, dann ist der Abend für mich stimmungsmäßig und für viel Geld schlicht, oder gar so perfekt wie möglich verhagelt... ... ...

Die letzten Stücke des abgespeckten „Bubi“ Bonamassa klangen schon auf dem Fußmarsch vom geparkten Seat aus, noch mehr dann auf dem Halb-Open-Air des Museumsplatzes, „wie geleckt“ nach der locker geschäftsmäßig liebevoll distanzierten Art eines blusigen us-amerikanischen Weltenbummlers und einer dynamisch stimmig gemischten PA-Performance.

Was in der EinWasser-einBier-einWürstchen Umbaupause folglich auch den Klang der Anlage betraf: Freudige Erwartung des „One-and-only Jeff Beck“ (* 24. Juni 1944 in Wallington, England), der dann um Punkt eine Minute nach Ende der Tagesschau, 20.16 Uhr, gemeinsam mit der Bassistin und „funky(?!)“ Sängerin Rhonda Smith (* in Halifax, Nova Scotia, Kanada), dem Schlagzeuger Narada Michael Walden (* 23. 4. 1952 in Kalamazoo, Michigan, USA) und dem britischen Jazz-Tastenmann, Gitarristen und (Vocoder?!)Sänger Jason Rebello (* 29.3.1969 in London), die opulente Bühne unter dem Bonner Zeltdach betrat.

Und schon begann der Orkan von gefühlten never ending unterschiedlichsten Lautäußerungen seiner weißen Fender Strat (Danke, HP), des ebenfalls bis auf schwarz coloriertes Haupthaar und eben solche lange Hosen weiß gewandeten Gitarrenflüsterers Jeff Beck, von süßlichem Säuseln über Stops und Stakkati zu schreienden Jaulattacken, aller für den Gitarrenkenner denkbaren und für mich manchmal unvorstellbaren Klang Nuancen.

Die folgende Setliste ist ein, unter größtem Vorbehalt zu 'genießender', bereits 'plausibilisierter' Auszug von der Seite, die sich selber "the setlist wiki" nennt:

01. Stratus
02. Led Boots
03. Corpus Christi Carol
04. Hammerhead
05. Mná Na h-Èireann
06. People Get Ready (The Impressions cover)
07. Rollin’ And Tumblin’
08. Somewhere Over The Rainbow
09. Dirty Mind (+ Schlagzeug Solo)
10. I Want To Take You Higher
11. A Day In The Life (The Beatles cover)
Encore:
12. How High The Moon
13. Nessun Dorma (Giacomo Puccini)

Zum Ver- oder Abgleich hier die von Eva Dudek-Louis fotografisch gesicherte Liste vom 15. Juli 2010 in München:

01. Eternity's Breath C
02. Led Boots G
03. JB/NMW Shred Dm
04. Hammerhead
05. Corpus Christi Dm
06. Rollin' And Tumblin' A
07. Mna Na Eireann Em
08. People Get Ready
09. Big Block E
10. Over The Rainbow F
11. Blast
12. Angels C
13. Dirty Mind B (Jeff C)
14. Brush With The Blues B
15. Higher - Jeff starts - A
16. Day In The Life G
Encore:
17. How High A
18. Nessun Dorma D

Was wir glauben erkannt zu haben, war „Corpus Christi Carol“, das erste Stück der nach wie vor empfehlenswerten CD „Emotion & Commotion“, der fetzende Rocker „Hammerhead“, die Covers von „I Want To Take You Higher“ (Sly & The Family Stone), “Somewhere Over The Rainbow” (Judy Garland) und “People Get Ready” (The Impressions), das nicht nur einen mittelalten Vater mit Frau und seinen beiden Töchtern vor uns am Mixer zur rhythmisch gen Zeltdach gereckten Faust verleitete.

Das Publikum, im wahrsten Sinne durchwachsen, nicht nur Weißkittel unserer Couleur, viele Zwanziger und Dreißiger, offensichtlich die neue Generation mit Jazzgefühl, war an einem glücklicherweise gerade mal nicht ganz so heißen Sommertag 2010 bei bester Laune.

Die ging mir allerdings, das muss ich leider feststellen, so langsam flöten. Ich erwischte mich schon eine halbe Stunde nach Konzertbeginn dabei, wie ich auf die Uhr schaute – kein gutes Zeichen. 

Lieber Jeff Beck,

ich bin ein schlichter Rock Musik Freund. Ich stimme Dir ausdrücklich zu, wenn Du an anderer Stelle sagst:

Alle müssen immer kategorisieren:
Wer spielt das am besten oder das?
Wer spielt das am schnellsten, am langsamsten?
Was soll das?“

Bist Du etwa allen Ernstes der Meinung, nur Du seiest „Hors Catégorie“, tatsächlich "The One And Only", der Unvergleichliche? Je länger ich allerdings Deinem Auftritt folgte, um so mehr kam es mir vor, als hättest Du mit ALLE ausdrücklich gerade auch Dich selbst gemeint.

Ich fühlte mich verräterischerweise an Werbe Kostproben von Popgrößen auf Musikmessen erinnert, à la: Höret und staunet, was ich (mit diesem preiswerten, schönen Instrument der Firma „Dudel-Dei“) alles an Schallereignissen in die Welt setzen kann.

Leider fühlten sich auch noch Deine Mitstreiter bemüßigt, Dir – wenn auch mit dem, dem gefühlten Klasse Rang entsprechend, geziemenden Abstand – nachzueifern, fast wie im Big Band Jazz: Nun erhebt sich das Blech zu seinem Solo, jetzt das Holz, dann...

Musste denn Deine singende Bassistin unbedingt zeigen, was Ihr alles mit ihrem Instrument möglich ist, obwohl davon wg. „matschiger“ Abmischung oft nicht viel mehr als ein Tief Frequenz Brei an mein Hörzentrum gelangte. Und auch Dein jazziger Tastenmann mochte uns partout nicht seine vocoder-geschredderte Stimme ersparen. Dein Mann am Schlagzeug kam im Sog dieses allgemeinen „citius, fortius, altius“ (= „schneller, stärker, weiter“, das Coubertinsche Motto der Olympischen Spiele), nicht selten an und über die Grenzen der Beherrschung seines Instruments. Den begeisternden Erlebniswert des Drumsolos von Manni von Bohr (Bröselmaschine, beim Konzert mit Amon Düül II, am 21. Juni in München) konnte er an diesem Abend für Elke mit Abstand ohnehin nicht erreichen. 

Im Widerspruch zur CGS-Devise, dem „Centimetre Gram Second“-Kriterium eines Wettstreits, steht ein häufig genanntes zweites Motto, das „Dabei Sein ist Alles“, die Betonung der Festlichkeit einer Veranstaltung.

Genau hier liegt, so befürchte ich, die Ursache für mein Unbehagen an Dir, Jeff Beck, an diesem Abend, vielleicht ganz allgemein: Bei aller erschlagender Brillianz Deiner Handfertigkeit, als unbestrittener Spitzenkönner an Deinem Instrument, verweigerst Du mir das, was für mich ein Lied, ein Song, ein gutes Musikstück ausmacht, die Einbettung von Gedanken und mehr noch von Gefühlen in Töne.

Die reine Präsentation der Beherrschung eines Musikgerätes mag die Herzen abgefuckter Profis, von Musiklehrern, deren ehrgeizigen Schülern und selbsternannten Foren Quassel Spitzen Reitern, höher schlagen lassen. Für mich als Rockfreund erscheint sie ärmlich, wenn sie auf die wertvollste Kraft der Musik verzichtet, Gedanken und Emotionen in Harmonie gepaart mit Tönen und Pausen von Mensch zu Mensch zu schicken.

So wirkte - nicht nur für mich - Deine Setliste wie die der Referenzen zum Bewerbungsschreiben eines E-Musikers um die Aufnahme in den Walhall. 

Wären nicht Deine Cover Versionen gewesen, vor allem das grandiose „A Day In The Life“ von den Beatles, das mir in der originaltreuen Studio Version allerdings noch besser gefällt, und das „Nessum Dorma“, („Keiner Schlafe“, dessen umwerfende Wirkung zweifellos die Leistung seines Komponisten Giacomo Puccini ist – das Du textfrei spielen musstest, weil der Cellphone Vertreter Paul Pott damit und mit seiner Stimme erfolgreich war (?!), oder weil Du unbedingt zeigen musstest, dass Du es besser kannst als Manowar (?!)), mit dem impliziten wohlfeilen Rückgriff auf Text und Emotionen der Originale bei Deinen Zuhörern, dann wäre ich sicher nicht mit der im Ganzen doch zufrieden stellenden Bilanz nachhause gefahren: 

„Das mussten wir einmal erlebt haben.
Wenn auch in Einzel„teilen“ und bis auf Jimmy Page, haben wir nun die Ur Besetzung der Yardbirds kennen gelernt.

Noch einmal Jeff Beck alleine muss aber nicht sein.

Jeff Beck, in "Diensten" eines Songs, einer richtigen Band mit einem richtigen Sänger, mit tollen Texten, würde uns mit Sicherheit noch mal so richtig neugierigig machen.

Aber, leider, leider... wer glaubt schon an solch eine Wendung der Rock Geschichte?“ 

Dennoch, danke, Jeff Beck! 

Nach genau 80 Minuten war die instrumental-artistische Kostprobe der Vier zuende und nach weiteren zwei Stücken als Zugabe das ganze Konzert, überpünktlich um 21.45 Uhr, noch vor dem strikten offiziellen Bonner Museumsmeilen-Nachtruhe-Termin.

Uwe trifft noch fast die halbe Besatzung des „Refugiums“, seiner Zollstocker Stammkneipe, zu der wir über Troisdorf (Helge ins Bettchen gebracht) auf der anderen Rheinseite nach Köln zurückfahren, um nach einigen paar Gerstensäften (Uwe + Marita), Milchkaffees (Elke) und Karls legendären Bananensäften (Karlheinz), gen zwei Uhr am Morgen im Hohen Westerwald den äußerst erfreuten Kater Peter zu begrüßen. 

Wir freuen uns nun auf Mittwoch, 1. September 2010 und auf Bryan Ferry mit Roxy Music - wieder in Bonn -, besonders weil wir dann all das erwarten dürfen, was uns die geballte Ladung Finessen der Tonerzeugung heute verweigert hat, Magie und Emotion, die Seele der Musik. Siehe auch: [

Elke & Karlheinz  

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