Herbert Knaup
spielt den Nazi-Judenmörder Eichmann...
„unten lag der bedröhnte Fassbinder, auf der Bühne sang meine Schwester aus Phallus Dei“ 

Claudia Tieschky: Im Argentinien der fünfziger Jahre treffen sich Eichmanns Sohn Nick und Silvia Hermann, die Tochter eines KZ-Überlebenden. Es gibt in Buenos Aires zu dieser Zeit eine deutsche Gemeinde, in der Nazi-Verbrecher und ihre jüdischen Opfer nebeneinander leben, in die selben Cafés gehen, aus dem selben Bus aussteigen, und jeder ist in seiner Vergangenheit eingeschlossen. Wie in einem Stück von Sartre. 

Herbert Knaup: In Geschlossene Gesellschaft ist mit so einem Zustand die Hölle gemeint. 

Und die junge Bundesrepublik ist ja auch noch ziemlich unheimlich. Als der Bonner Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der als Jude während der Nazizeit emigrieren musste, Adolf Eichmann auf die Spur kommt, kann er den eigenen Leuten nicht trauen und informiert lieber den israelischen Geheimdienst Mossad – mit Wissen seines Ministerpräsidenten Georg August Zinn, SPD. 

Weil in der neuen BRD so viele ehemalige Nazis mit Einfluss sitzen, und Bauer befürchtet, dass die Verhaftung Eichmanns vereitelt würde.

Diese fünfziger Jahre – das ist verrückt. Und alle kleiden sich gleich nach der neuen Zeit. Im Film trägt Axel Milberg als Fritz Bauer die selbe Brille wie Eichmann, und er hat die Haare genauso. Und über alles stülpt sich dann diese Lüge, diese Heinz-Erhardt-Welt, das Wirtschaftswunder, der deutsche Schlager, die Caprifischer. 

Die große Menge an Material über Eichmann verengte nicht meine Spielräume, sie half mir, weil ich die Hintergründe immer wissen wollte. Vor dem Schweigen der Väter stand ja eine ganze Generation auch, ich. 

Als Eichmann 1962 hingerichtet wurde, waren Sie sechs Jahre alt und lebten in Sonthofen im Allgäu. 

Mit der Ordensburg vor Augen, der früheren Erziehungsanstalt für die Nazi-Elite, die man nicht weggesprengt, sondern einfach zur Bundeswehrkaserne umfunktioniert hatte. Hardy Krüger war auf der Napola in Sonthofen. Da bin ich geboren, man dachte als Kind immer: Scheiße, was ist das für ein hässliches Gebäude. 

Hässliches Gebäude, hässlicher Staat? Sie sind 14 Jahre jünger als der in Bad Wörishofen, also auch im Allgäu geborene Rainer Werner Fassbinder. Fassbinder war als Regisseur, Autor und Schauspieler einer der wichtigsten Vertreter des Neuen Deutschen Films. Ihm waren Staat und Gesellschaft zeitlebens verdächtig. Sie stehen Fassbinder offenbar näher als Ihrer eigenen Generation? 

Ich bin tatsächlich mehr ein Nachzügler der Fassbinder-Generation, als Teil meiner eigenen. Meine Schwester ist Rocksängerin. Es gibt eine Aufnahme, in der Fassbinder bedröhnt mit seinen Jüngern am Boden liegt, und oben auf der Bühne spielt die Band Amon Düül II mit meiner Schwester als Sängerin diesen Krautrock. 

Das war kein deutscher Marsch mehr, da wurden weltumspannende Klänge erzeugt. Die erste Platte hieß Phallus Dei, der Schwanz Gottes. Da war Schluss mit Pack Die Badehose Ein. 

Was heißt Fassbinder-Nachzügler? 

Das heißt: Schon als Kleiner immer dabei gewesen. Aber klein, zwölf Jahre oder so, immer an der Hand von der großen Schwester. Ich war 1967/68 ab und zu in München. Sie nahm mich einfach überall hin mit. Das war für mich prägend, diese Zeit, die Studentenbewegung. Meine eigene Generation war ja eher langweilig. Das waren die, die jetzt Bundespräsidenten sind. Die Generation des Arrangierens.


Das sind Auszüge aus dem Artikel:

„Die Rückenschmerzen meines Lebens“
Schauspieler Herbert Knaup über seine Rolle als Eichmann, Nachkriegsgenerationen und Rainer Werner Fassbinder
Interview: Claudia Tieschky
Süddeutsche Zeitung, 17./18. Juli 2010


Herbert Knaup 

(* 23. März 1956 in Sonthofen, Landkreis Allgäu) 

Herbert Knaup wuchs im Allgäu als Sohn eines Musikers auf, der zeitweise auch Begleitmusiker von Lale Anderson war. Seine Schwester Renate (* 1948) ist seit 1968 Sängerin von Amon Düül II. Sein Bruder Karl (* 1950) ist ebenfalls Schauspieler.

Nach der Mittleren Reife absolvierte er seinen Wehrdienst und ging dann nach München, wo er die renommierte Otto-Falckenberg-Schauspielschule besuchte. Nach seiner Ausbildung zum Schauspieler machte er ein einjähriges Praktikum an den Münchner Kammerspielen und wurde seit 1978 von zahlreichen Bühnen überall im Land engagiert. Unter anderem spielte Herbert Knaup in Heidelberg, Basel, Bremen, Wien und Köln und lieferte im gleichen Jahr mit Coda sein Filmdebüt. 1994 engagierte ihn der Regisseur Dominik Graf für die Hauptrolle in seinem Kino-Thriller Die Sieger, die ihn einem breiten Publikum bekannt machte. 

Heute ist Knaup einer der gefragtesten deutschen Charakterdarsteller (Das Leben der Anderen, Mogadischu, Jenseits der Mauer). Er ist Mitinitiator des im April 2006 gegründeten Bundesverbandes der Film- und Fernsehschauspieler.

Seit 2007 existiert die Band Neffen und Knaup, die aus Herbert Knaup und seinen beiden Neffen Maurus und Magnus Fleischmann besteht. Zeitgleich zur Veröffentlichung des Albums „Neffen & Knaup“, 2007, begannen sie eine Tour durch Deutschland. Aufgenommen wurden die Lieder in Knaups Privatstudio in Erlbach, Gemeinde Weichs, im Landkreis Dachau. Die CD wurde von dem Plattenlabel Knaup Records herausgegeben, das Knaup selbst gegründet hatte. Nach eigenen Angaben verkauften sie 62 Stück davon. Es ist aber auch kein dauerhaftes Projekt, weil die beiden Neffen in den USA leben.

2010 erhielt er den Bayerischen Fernsehpreis für seine Rolle im Allgäukrimi Erntedank (nach dem Roman von Volker Klüpfel und Michael Kobr) des Bayerischen Rundfunks (BR), in dem er den kauzigen Kommissar Kluftinger spielt. Knaup ist, bei allem Talent zum Dramatischen, auch sehr für die komische Rolle geeignet. 

Eichmanns Ende – Liebe, Verrat und Tod ist eine Koprodution von NDR und SWR. Neben Knaup spielen unter anderen Ulrich Tukur (Willem Sassen) und Axel Milberg (Fritz Bauer). Regisseur Raymond Ley, 51, stieß auf den Stoff während der Recherche zu einem anderen Dokudrama (Die Kinder von Blankenese, Arte/NDR, in Postproduktion). Eichmanns Ende entstand nach einjähriger Vorbereitung in nur zehn Drehtagen in Niedersachsen und auf Kuba zu einem Preis, der unter den Kosten eines Tatorts liegt.

ARD, 25. Juli, 21.45 Uhr


Siehe auch auf Wikipedia: [

Deutsches Filmhaus: [

BR online: [


nach oben