Bob Dylan und seine Band spielen vor einem Ein-Mann-Publikum

Bob-Dylan-Fan Fredrik Wikingsson wird ein Lachen von Mr. Robert Allen Zimmerman mit ins Grab nehmen.


Wie sehr die Spitzenprodukte turbokapitalistischer Gehirn-Waschmaschinen der Marke "ßSOUSCHL MIEDIA" bereits ihr allein seelig = ein paar Wenige stinkend reich machendes Glaubensbekenntnis zum kleinsten gemeinschaftlichen Meinungs-Nenner flächendeckend installiert haben, zeigt sich in der massenhaften Anbetung vieler, vieler und noch mehr "Klicks", "Laiks", "Follouer" oder ähnlich vielsagender Schwarz/Weiß-, Entweder/Oder-Beurteilungen, gepaart mit der so schlichten wie irrigen Gleichsetzung von "je mehr Klicks" mit "um so zutreffender oder gar wahrer". DIE ultimative Bestätigung des einst winzig und in Kniehöhe an die Wand gekritzelten Spruchs: "Milliarden Fliegen können sich nicht irren, (fr)esst mehr Scheiße!", der vor fünfzig Jahren die Großeltern der Milliarden williger Adepten einer weltweiten digitalen Händlerdiktatur 2015 noch ungläubig, aber schmunzelnd von einem Toilettenbesuch zurückkehren ließ.

Kein Klospruch, auch dieser nicht, sagte sie allerdings vorher, die Erfinder dieser guuugligen, fatzebuckigen, zwitschernden... in jedem Fall massenkompatiblen Geschäftsideen. Diese Typen, die ganz und gar nicht aus der Mitte der Masse kommen, die sie so erfolgreich beschleimen, vielmehr von ganz weit außen, von deren Rändern, die sich nach dem Motto "Kleinvieh macht (auch, sogar unvorstellbar) viel! Mist" von eben dieser Masse mit Geld zuscheißen lassen...

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Vor diesem - nur leicht satirisch überzeichneten - zeitgeistigen Hintergrund stellt ein schwedisches TV-Medien-Projekt "Experiment Ensam" die provozierende Frage:

"Kann man Ereignisse, Iewents, die taditioneller Weise in Gesellschaft, im Beisein mehr oder weniger großer Menschenansammlungen ablaufen, ganz für sich, alleine, schlechter, ebenso gut, oder gar besser erleben, als inmitten einer Masse?"

In der sechsten Episode bekommt der Bob Dylan Fan Fredrik Wikingsson die sensationelle Gelegenheit, ein Konzert seines Idols ganz für sich allein, als Ein-Mann-Publikum zu erleben.

Fredrik Wikingsson: ..."Ich habe geklatscht. Aber das hat sich in diesem leeren Theater schräg angehört. Nach dem zweiten Song dachte ich, dass ich dann doch auch etwas beitragen sollte. Ich habe gerufen: 'Ihr Jungs hört euch großartig an!'. Dylan ist in Gelächter ausgebrochen. Das nehme ich mit ins Grab."...

Was könnte uns das sagen? Ein Erlebnis dieser Art hätte ein gefüllter Konzertsaal mit Sicherheit vereitelt. Abgesehen davon, dass aus Gründen der Wirtschaftlichkeit von Live-Aufführungen, Konzerte vor 1-Mann-Publikum nur bei horrenden Kartenpreisen möglich wären, jede Äußerung aus der Masse des Publikums eines ausverkauften Hauses (Husten, Pfeifen, Jolen, Trampeln, Schubsen...) addiert sich als unabwendbares "encore", als ungefragt aufgezwungene Zugabe - heute mehr denn je ungebremst Adrenalin-pflichtig - zum Kern des gewünschten Ereignisses. Ein "Zugewinn" eigentlich jeden Massen-Erlebnisses, auf den ich persönlich gern verzichte, den ich mir in den extremsten Ausprägungen - wenn es denn unbedingt sein müsste - gerne für die Sekunden vor dem Sturmangriff in einem Schützengraben oder dem Zünden der Körperbombe als Selbstmordattentäter in einem meiner künftigen Leben aufheben möchte.

Die weniger steinzeitliche, humane Qualität, Intensität, Nachhall-igkeit, kurz der existenzielle Wert eines Erlebnisses wird nicht in dem Maß größer, in dem es mit mehr Mit-Erlebenden vor Ort "geteilt" wird. Eher umgekehrt. Jeder halbwegs mathematisch Erleuchtete und daher des Teilens Mächtige weiß, je größer der Nenner (die Zahl unter dem Bruchstrich) eines Quotienten ist, um so mehr nähert sich sein Wert gegen Null. So haben uns zwei aggressiv bekiffte Mithörer der "Stones", am 13. Juli 1998 in München, beinahe alle "Brücken nach Babylon" eingerissen, abgesehen vom üblich nervenden Gedrängel bei einem Konzert in einem Fußballstadion.

Auf YouTube erleb(t)en nun Unzählige, jeder für sich allein (nach drei Tagen fast 100.000), das TV-Protokoll des Dylan-und-ein-Mann-Experiments; Auch als ein-maligen Beleg dafür, was für ein Mehr an Zauber von Musik ausgehen kann(!), wenn einmal der scheinbare wirtschaftliche Zwang ignoriert wird, möglichst viele Konsumenten am selben Ort und zur selben Zeit mit ihr bedienen zu müssen. Und wenn man ausblenden kann, dass man genau in diesem Moment dazu beiträgt, die Geschäftsidee von JuuTjuub erfolgreich und einbringlichst für ein paar digitale Raubritter zu verwirklichen:

BOB DYLAN und
Philadelphia, 22. November 2014

Angeblich beendete die Produktions-Firma des Films seine Abrufbarkeit, zumindestens in Deutschland, schon am dritten Tag nach seiner Veröffentlichung auf YouTube.

Was die Teile des Films betrifft, in denen die Aktion von Bob Dylan und seiner Band und die des 1-Mann-Publikums Fredrik Wikingsson gezeigt werden, sie sind einfach hinreißend und gleichzeitig ein überzeugender Beleg dafür, dass jede Masse ein Erlebnis (fast immer) ruiniert.

In einem Artikel des "Rolling Stone" sind diese tollen Bilder und Töne noch zu sehen und zu hören: Nicht nur für Bob-Dylan-Fans DAS musikalische Weihnachtsgeschenk 2014!eihnachtsgeschenk 2014!

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