„Tanzen gehört ins Ballett – Musiker machen Musik“

Zum Tod von Robin Gibb,
dem Kopf der Bee Gees

Exzerpt eines Artikels von Bernd Graff


Gemeinsam mit seinen Brüdern Maurice und Barry hat er Generationen von Menschen glücklich gemacht.

Unprätentiös und auch ein wenig verspielt harmlos vielleicht. Das tut seinem Ruhm jedoch keinen Abbruch. Denn dass man Robin Gibb, den Ehrendoktor der Universität Manchester, mit den Bee Gees identifiziert, die als erfolgreichste Familienband der Welt gilt, liegt ganz eindeutig nicht an den Brüdern Barry und seinem Zwillingsbruder Maurice, sondern an seiner Leistung als Komponist.

Er erfand jenen „Spirit of Sound“, für den die Bee Gees allzeit stehen werden, auch wenn sich einmal niemand mehr erinnern können sollte, dass Männer tatsächlich einmal Falsett gesungen haben.

Barry, der „bestaussehende“ Gibb, hatte zwar jene Falsett-Stimme, die das Klangbild der Bee Gees seit den siebziger Jahren prägte und er war auch als Produzent sehr viel erfolgreicher als Robin. So verhalf er Diven wie Barbara Streisand, Diana Ross, Céline Dion und Dolly Parton zu ihren größten Erfolgen. Dennoch ist Robin, der Melancholiker mit Hang zum Psychedelischen, stets Kopf und Gehirn der Bee Gees gewesen.

Die Bee Gees begannen ihre Karriere in Australien, wohin sie als bettelarme Familie von der Isle of Man über Manchester auswanderten. Als sie mit nachgesungenen Trällersongs aus dem Radio 1967 einen Plattenvertrag in der Tasche hatten, zogen sie zurück nach Großbritannien. Hier wurde aus dem lokalen Erfolg eine internationale Karriere.

Rasch galten die Bee Gees als Hauptkonkurrenten der Rolling Stones, aber auch der Beatles. Auch ohne die radikale Ausstrahlung der Stones und die musikalische Kraft der Beatles verstanden sich die Bee Gees darauf, die neuen Strömungen, den Rock, den Folk und die Psychedelik in harmlosen Pop zu verwandeln, der ans Herz ging und doch modern klang.

Bee Gees-Songs orientierten sich hörbar an den Beatles und an den Everly Brothers. Doch mit ihren gefälligen Orchesterarrangements und ihren ausgefeilten Gesangsharmonien schalteten sie die damals so zeitgemäße Überraschung und Verstörung aus.

1968 erschien das Album „Horizontal“ aus ihrer ersten Periode, das mit „Massachusetts“ einen melancholischen Welthit enthielt. Robin war in dieser Zeit nicht nur der Kopf der Bee Gees, mit seinem altmodischen Vibrato in der zartfühlenden Stimme prägte er auch das Klangbild.

Nach zweijährigem Rumoren im Familienverbund mit Soloversuchen, arbeiteten die drei Brüder Ende 1970 – erfolgreicher denn je – wieder zusammen. Kritiker monierten zwar die nervende, klagend-eingängige Eintönigkeit und ihren mangelnden Ideen-Reichtum. Kommerziell ging es dafür steil nach oben.

Mit dem Produzenten Arif Mardin erschien 1975 das Album „Main Course“ mit den drei Hits: „Jive Talking“, „Nights On Broadway“ und „Fanny (Be Tender With My Love)“. Mit geändertem Klangbild setzten sich die Brüder auf die Disco-Schiene, die sie bald dominieren sollten.

Mit einem nun Falsett singenden Barry im Vordergrund zündete der Neue Sound wieder und die Bee Gees bewiesen erneut ihre unschlagbare Fähigkeit, untergründige Zeitströmungen in verdaulichen Pop zu verwandeln. Aus der unverblümten Sexualität des Disco-Undergrounds machten die Gibbs ein unverfängliches Spiel mit der Androgynität, für Rockfans bald der Inbegriff des verweichlichten Disco-Sounds.

Der endgültige Durchbruch in den Pantheon der Superstars gelang ihnen dann aber nicht in den Charts, sondern über den Kinofilm „Saturday Night Fever“, den ihr Manager Robert Stigwood produzierte. Das Doppelalbum „Saturday Night Fever“, mit den bis heute unentrinnbaren Songs: „How Deep Is Your Love“, „Stayin‘ Alive“, „Night Fever“ und “Too Much Heaven”, war 1977 fast ein halbes Jahr auf Platz 1 der US-Charts und wurde bis heute weltweit über 40 Millionen Mal verkauft.

In Folge der Anti-Disco-Bewegung und nach dem Einzug des Punk pausierten die Gebrüder und produzierten erfolgreicher für andere. Erst 1987 hatten sie mit „You Win Again“ einen Comeback-Hit. Doch den Disco-Stempel als Kainsmal kitischiger Musik konnten auch die in den Neunzigern aufkommenden Boygroups selbst mit erfolgreichen Bee Gees-Covers nicht dauerhaft abwehren.

Den direkten Vergleich der Bee Gees mit den Boygroups lehnte Robin Gibb jedoch ab: „Ich habe noch nie eine Boygroup gesehen, die ihre Songs selbst geschrieben hat und selbst Instrumente spielt, so wie wir – und die Beatles.

Wir haben auch nie irgendwelche Schritte für die Bühne eingeübt. Wir haben nie getanzt. Wenn Du ein Musiker, Sänger und Songwriter bist, sollte es genügen, wenn Du Deine Songs auf der Bühne darbietest. Diese einstudierten Aufführungen sind etwas für Balletttänzer und Pantomimen.

Robin Gibb als zeitenresistenter Kopf: „Wenn wir einen Song schreiben, verlassen wir uns nur auf unsere Stimmen und die Gitarre. Und so sollte es auch auf dem Album klingen, denn das ist einfach das, was wir am besten können.“


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Sensibler Kopf
Robin Gibb machte die "Bee Gees" im Swingin' London zum Hit. Dann kam Disco - ein Nachruf

von Bernd Graff
Süddeutsche Zeitung, 22. Mai 2012


Siehe auch:

- Robin Gibb - Seite

- auf Wikipedia

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