Amy Winehouse

- Nein, nein, nein

- Verraten und verkauft


Nein, nein, nein

Artikel von Jens-Christian Rabe
Süddeutschen Zeitung, 25. Juli 2011
Exzerpt von
Karlheinz Damerow


Am Samstag, den 23. Juli 2011 wurde die Sängerin mit der eindrucksvollsten Stimme ihrer Zeit leblos in ihrer Wohnung im Londoner Stadtteil Camden gefunden.

Die bittere Pointe ihrer Karriere wird bleiben, dass ihre berühmteste Songzeile mehr von ihrem persönlichen Schicksal vorhersagte, als man einem Künstler, mit egal welchen Suchtgewohnheiten wünschen kann:

„… They tried to make me go to rehab / But I said no, no, no” –

“… Sie versuchten, mich zu einer Entziehungskur zu überreden / Aber ich sagte nein, nein, nein –

Das künstlerische Werk, das Amy Winehouse hinterlässt, besteht aus zwei Alben, die im Nachhinein seltsam vollendet wirken.

Das Debüt „Frank“, 2003, zeigte die 19jährige schon als herausragende Stimme, ihr unverwechselbar kraftvoll, knarziges Nölen. Bei fast allen Stücken wird sie als Autorin oder mindestens Co-Autorin geführt.

„Frank“ ist ein stimmungsvolles Pop-Album, das sich auf große Vorbilder des Soul, Jazz und Rhythm and Blues beruft, jedoch noch kein kommerzieller Durchbruch.

Die Wende zum ganz großen Erfolg beginnt mit Winehouses Entscheidung, die seit 1996 bestehende New Yorker Funk-Soul-Band Dap Kings als Tour-Band zu engagieren.

Der britische Musiker Mark Ronson wurde auf sie aufmerksam, und zusammen mit Salaam Remi produzierte er 2006 das zweite Album „Back To Black“ kongenial.

Bis heute wurden davon zehn Millionen Kopien weltweit verkauft. 2008 gewinnt es fünf Grammys, darunter den wichtigsten für die Beste Aufnahme des Jahres und erreicht in allen großen Pop-Nationen den ersten Platz der Album-Charts.

Was „Back To Black“ letztlich so erstaunlich macht, ist das kompromisslose Sounddesign. Die rumpeligen Instrumental-Arrangements – an sechs der elf Titel sind die Dap Kings maßgeblich beteiligt – scheren sich kein bisschen um „moderne“ Hörgewohnheiten (woran erkenne ich "modene Hörgewohnheiten"?) und klingen dennoch nicht „verstaubt“ (wie klingt etwas „Verstaubtes“?), vielmehr raffiniert (wie klingt etwas "raffiniert"?), aber auch so druckvoll und ökonomisch wie Winehouses Stimme.

Und es sind diesmal mindestens fünf „echte“ Hits dabei:


„Rehab“


„You Know I’m No Good“


„Back To Black“


„Love Is A Loosing Game“


„Tears Dry On Their Own“


Neu daran ist nichts, es ist aber auf so clevere Weise alt, dass man sich der schieren Klasse dieser Musik kaum entziehen kann.

Lieberr Herr Rabe, was denn nun: "clever alt" oder "schiere Klasse"? Was meinen Sie denn mit "clever alt sein"?, kann man auch "clever jung" oder "clever dumm" sein?!!

Kann man sich nicht endlich einmal darauf einigen, dass es völlig egal ist, wie alt Musik ist. Wichtig ist nur, ob es gute Musik ist. Wenn es gute Musik ist, dann bleibt sie das, egal, was für eine platte Mode = "moderne Masche" gerade den Umsatz und den Profit der Händler steigern soll.

Bei Konzerten konnte Amy Winehouse lange noch so abwesend wirken, ihre Stimme war auf fast unheimliche Weise anwesend, ihre Präsenz war schlicht atemberaubend.

Der britische „Star-PR Agent“ Max Clifford sonderte 2008 in einem Bunten Blatt folgenden Satz ab: „Amy Winehouse mit Drogen ist ein größerer Star als Amy Winehouse ohne Drogen“.

Angesichts dieser leidenschaftslosen Gleichsetzung des Kaufverhaltens von Musik-Konsumenten und Unfall-Gaffern auf der Gegenfahrbahn, fehlt nicht mehr viel, sich diesen Herren als einen der Dealer von Amy Winehouse vorzustellen.

Auch wenn die Masse nun einmal schlicht und einfach skrupellos doof ist, gibt es keine einzige vernunftbegabte Rechtfertigung, dieses widerliche Verhalten zum Bestandteil ganz gleich welcher Geschäftsgrundlagen zu machen.

Eine Gemeinschaft, die nicht einmal versucht, dies – wie auch immer – zu sanktionieren, kann sämtliche Träume von Menschlichkeit auf den Abtritt hängen.

Vergessen wir einfach die sch…. Drogen, und ...

... halten wir die Sängerin Amy Winehouse in Ehren, die eindrucksvollste Stimme ihrer Zeit, die mit ihrer schlicht  atemberaubenden Präsenz, mit ihrer Extravaganz und zerbrechlichen Stärke, auf  fast unheimliche Weise ein paar viel zu wenige Jahre auf diesem Planeten anwesend war.

Danke dafür, Amy Winehouse!

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Verraten und verkauft -
Produkt bis nach ihrem Tod

Zwei Zitate aus dem Artikel
von
Björn Staschen,
ARD-Fernsehkorrespondent in London
von 2007 bis 2010,
Süddeutsche Zeitung, 30./31. Juli 2011


… "Wenn sie sang, wirkte sie wie von einem anderen Stern.

Die weite, kraftvolle Stimme passte nicht zur schmalen Person, eine rätselhafte Erscheinung."

 … "Ihre alte Stimme, ihr junges Talent, ihre Extravaganz und zerbrechliche Stärke haben nicht nur Amy Winehouse groß gemacht.

Im Schlepptau hat sie einige Manager mit auf den Gipfel des Erfolgs gezogen. Diese Männer sonnen sich heute im Erfolg.

Nur Amy Winehouse ist gestürzt. Festgehalten hat sie niemand.

Sie wurde nicht beraten, sondern verraten. Und verkauft. Sehr gut verkauft. Auch post mortem."

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