Christian Burchard (Embryo)

* 17. Mai 1946 in Hof, Bayern;
† 17. Januar 2018, München
(71,5 Jahre)


- Christian Burchard

- Embryo

###

- Embryos Rache - Album

So habe ich Embryo in guter Erinnerung. Danke dafür! Jazz-Rock und psychedelischer Rock. Das ist es - heute!, nach wie vor.
Karlheinz

- Steig aus 1972 - Album


Trauer um den Weltstar
aus Hof

Von den Hofern, die, erwachsen geworden, ihre Stadt verließen, war Christian Burchard der bekannteste. Ein großer Musiker, ein Vorbild.

VON RALF SZIGOLEIT

Hof - Er teilte sich in der Sprache mit, die keine Grenzen kennt, und seine Band Embryo war international aktiv. Auf wenige andere traf der Begriff Weltmusik so perfekt zu wie auf die Formation, die von Christian Burchard 1969 gegründet wurde und im Laufe der Jahrzehnte immer wieder begabte Instrumentalisten aus aller Welt integrierte, insgesamt mehr als 400. Jetzt ist er, wie berichtet, im Alter von 71 Jahren gestorben. Der "Münchner Merkur" feierte ihn in einem Nachruf unter dem Titel "Der Herr der Klänge" als "einen der wenigen echten Weltstars aus München".

Aber seine Anfänge lagen in Hof. Hier wurde er am 17. Mai 1946 als Sohn des Studienrats Rolf Burchard geboren, den es nach dem Krieg aus Westpreußen nach Oberfranken verschlagen hatte. Er war mein Kunstlehrer in der Oberrealschule und schuf für die Stadt zwei Denk- und Mahnmale, die noch heute an die Flüchtlingsströme, die 1945/56 Hof durchliefen, und an die deutsche Teilung erinnern. Es muss 1967 oder 1968 gewesen sein, als ich ihn in Werner Weinelts "Galerie Bootshaus" wiedersah. In die Kneipe, in die er eigentlich nicht passte, war er gekommen, um seinen Sohn Christian spielen zu sehen. Am Vibrafon, einem der klassischen Instrumente des Jazz, verblüffte der langhaarige junge Mann mit ungeheurer Geschwindigkeit und einer Virtuosität, die auch dem 21 Jahre älteren Musiker imponierte, den er begleiten durfte: Mal Waldron hieß er, war ein Pianist des Modern Jazz und 1965 aus den USA nach Europa übergesiedelt. Bis zu seinem Tod im Jahr 2002 konzertierte er immer wieder mit dem Hofer, beide nahmen zusammen auch Platten auf, sie bildeten ein tolles Gespann.

Damals im "Bootshaus" leitete Burchard ein kleines Trio, dem auch Dieter Serfas angehörte. Seit ihrem zehnten oder elften Lebensjahr kannten sie sich, waren Klassenkameraden in der Schule gewesen - und beide waren verrückt nach Jazz. Heute gelten sie als die Urzelle der Gruppe Embryo, in der Burchard, ein Multiinstrumentalist, bald die Rolle des Schlagzeugers übernahm, Serfas wechselte zur ebenfalls in München beheimateten Band "Amon Düül 2", arbeitete später eine Zeit lang als Redakteur für die Frankenpost, war aber stets bereit, als Gast bei Embryo zu spielen und auf Tour in fremde Länder zu gehen, oft auf Einladung des Goethe-Instituts.

1971 hatten sie mit "Tausendfüßler" einen ersten Radiohit. Ihr anfangs als Krautrock bespöttelter Jazz verdiente sich rasch das Prädikat Weltmusik, die so heißt, weil in ihr Einflüsse nicht zuletzt der Volksmusiken verschiedener Länder verschmelzen. Burchard komponierte viel und spielte mit Embryo mehrere Dutzende Platten ein, von "Embryos Rache" (1971) bis "It Do" in jenem Jahr 2016, in dem ihn ein Schlaganfall traf. Seither wird die Band von seiner Tochter Marja geleitet. 2017 kursierte unter den Fans ein kleiner Film, auf dem beide Burchards zum Interview im Studio eines lokalen Fernsehsenders in Bayern sitzen. Trotz seiner halbseitigen Lähmung erzählte Christian gutgelaunt aus seinem bewegten Leben. Er tat dies auf eine Weise, dass es eine Freude war.

###


Merkur.de
Freitag, 19. Januar 2018

Der Herr der Klänge

Trauer um Christian Burchard, Herz der Band Embryo und einer der wenigen echten Weltstars aus München, der mit 71 Jahren gestorben ist.

VON ZORAN GOJIC

Das mag ein wenig merkwürdig klingen, aber Christian Burchard war einer der wenigen echten Weltstars aus München. Wer jetzt ratlos dreinschaut und nie etwas von dem Mann gehört hat, dem sei versichert: In der Musikwelt war er ein ganz Großer. Denn Burchard war Gründer, Kopf und Herz von EMBRYO, jener sagenumwobenen Kombo, die seit 1969 Klänge, Töne, Weisen aus aller Welt studiert und daraus ihren eigenen, unverwechselbaren Sound zaubert.

Die Musik war mit jedem Album, jeder Tour anders, aber immer EMBRYO, schlicht, weil das niemand sonst so hinbekam. Und auch weil Burchard herzlich egal war, woher ein Klang stammt, der ihm gefällt. Das konnte ein Instrument aus dem Oberland ebenso sein wie eine Melodie aus dem Herzen Afrikas. So ist Embryo ohne jede Übertreibung eine der international bekanntesten deutschen Bands geworden, denn außerhalb Deutschlands hat man die besondere Qualität dieser Formation schnell begriffen.

Die progressive Musik, die sich nicht um Genres kümmerte, wurde von britischen Kritikern seinerzeit als „Krautrock“ bezeichnet, und das war anfangs durchaus abwertend gemeint. Heute steht der Begriff einfach für eine spezielle Form der Musik, die von EMBRYO wesentlich definiert worden ist. Mit dem Ausdruck „Krautrock“ hat Burchard nie gehadert, obwohl er nie viel davon hielt, ihn und seine Arbeit zu etikettieren. EMBRYO war eine musikalische Galaxis für sich, die international von Fans auf ihren legendären Konzerten gefeiert wurden.

Trotz eines schweren Schlaganfalls vor eineinhalb Jahren machte Burchard immer weiter, veröffentlichte neue Platten und ließ seine Band auftreten. Seine Wurzeln waren der Jazz und dessen experimentellen Ausprägungen, „New Jazz“ hieß das früher einmal. Später verschmolz Burchard psychedelischen Avantgarderock mit weiteren Einflüssen zum unverkennbaren EMBRYO-Sound. Die unkonventionelle Mischung hatte Erfolg, EMBRYO tauchte in den Charts und im Radio auf. 1970, im zweiten Jahr des Bestehens, durften sie einmal gleich nach Jimi Hendrix auf die Bühne. Dennoch waren die Neutöner der Plattenfirma etwas unheimlich, sie landeten beim kleinen Label Trikont aus München. Im Nachhinein ein Glücksfall, hier durften EMBRYO es so wild treiben wie sie mochten – und taten das auch.

Mit Erfolg, wie Burchard immer mit hörbarem Stolz erzählte. Er suchte unablässig nach neuen Ideen, musikalischen Ausdrucksformen und arbeitete mit wechselnden Musikern. Wobei klar war, wer die Richtung vorgab: er selbst. „Ich entscheide, was passiert – einer muss ja den Überblick behalten.“

Im Laufe der Jahrzehnte hat Burchard mit mehr als 400 Musikern zusammen gearbeitet. So ist die Aussage der Plattenfirma, bei EMBRYO handele es sich um eine alternative Musik Akademie gar nicht so abwegig. Burchard organisierte darüber hinaus, was so wenigen gelingt – einen geordneten Übergang zu seiner Tochter Marja. Burchard: „Marja ist mit EMBRYO aufgewachsen und soll das fortführen. Sie hat von älteren Meistern gelernt, so wie ich auch mein Leben lang immer gelernt habe“. So hat er gerade chinesischen Free Jazz für sich entdeckt und erkundete mit Hingabe sein neues Lieblingsinstrument, das Hackbrett.

Nun ist er mit 71 Jahren in München gestorben.


zurück zu: In memoriam chronologisch

zurück zu: In memoriam alphabetisch

.[