David Robert Jones
DAVID BOWIE

Meine größten Fehler passierten,
als ich versuchte, dem Publikum
zu gefallen.

* 8. Januar 1947, Brixton, London, GB
† 10. Januar 2016, New York City, USA


- Eine kleine Musik-Auswahl

- Nachruf-Fundstücke

- Abschied in New York: PETER RICHTER


Musik!

Absolute Beginners (live BBC 2000)

The Man Who Sold The World (live)

Space Oddity

Ziggy Stardust

Hang On To Yourself

Suffragette City

Watch That Man

Future Legend

Diamond Dogs

Speed Of Life

Sound and Vision

Heroes

Station To Station

The Passenger (Iggy Pop & DB)

Comfortably Numb (David Gilmour & DB)

Rockpalast 1996

Blackstar (8. Januar 2016)

Lazarus (8. Januar 2016)

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Nachruf-Fundstücke

Karlheinz Damerow:
Vollkommen einverstanden:
Bowies "Popansatz" bestand darin, den Rocker-Gestus des Rock'n'Roll durch bildungsbürgerliche Dandy-Attribute und deren dekadente Überhöhung zu brechen. Nicht allerdings, um einem vermeintlich "leer laufenden" Rock’n’Roll (was auch immer das heißen soll, Andreas Borcholte, SPIEGELonline) den Todesstoß zu verpassen. Ganz im Gegenteil bereicherte er damit eine zeitlos moderne Musikform, Abgesangs-"Diskurse" und schwärmerische Überhöhungen aus dem Fundus ewiger Gockeleien zwischen den Generationen hin oder her. Mit immer wieder aufregenden, unerhörten Klängen quer durch die Musik-Kritiker-Schubladen und Marketing-Blasen der Pop-Industrie trug er entscheidend dazu bei, dem Rock'n'Roll immer wieder neues, am Ende gar ewiges? Leben einzuhauchen.

Brauchen die Ohren Kino? Braucht Musikhören Skelettmuskelkontraktionen?

Musikvideos, Bühnenshows, Tanz, Psychotropika gestütztes TechNO-Rudel-Hopsen, Konzerterlebnisse..., sind Beiwerk, sind nicht die Musik, sind nie wichtiger als sie. In jedem Fall verändern, bevormunden vor allem Videos die individuelle autogene Wahrnehmung von Musik. Für die Einschätzung der überragenden Bedeutung des musikalischen Werks von David Bowie sind sie, wie für jede Musik, bedeutungslos. Da das Musikvideo heute das flächendeckende Vermarktungsmedium der Musikindustrie darstellt, findet nahezu keine individuell autogene Musikwahrnehmung mehr statt. Generation X und jünger müssen zwangsläufig der Meinung sein, dass Musik und mehr oder weniger dämliche Bilder zusammengehören. Unmittelbare Musikerfahrung ohne Berieselung durch Bildchen wäre nur möglich, wenn sie die Augen schlössen und den Konsum des Videos verweigerten.

So hat auch das reflexartig mit dem Musiker Bowie verbundene Klischee der stilbildenden Ikone, womit die Aufsehen erregende Gestaltung seines Äußeren: Frisur, Schminke, Kleidung, Verhalten im öffentlichen Raum, gemeint ist, nichts, zumindestens nicht zwingend etwas mit seiner Musik zu tun. Die Präsentation seiner Person, auf der Bühne wie auf der Straße, kann ich dennoch, mindestens so hervorragend wie die eines Bryan Ferry, aber völlig losgelöst von ihrer Musik als wohltuend stilvoll einschätzen und genießen. Der Begriff "Gesamtkunstwerk" fällt mir dazu dennoch nicht ein.

Die originäre individuelle Wahrnehmung seiner Musik ist völlig unabhängig davon (möglich), denn die findet auf dem Weg über paarige Hörsinnesorgane, ganz im dunklen Inneren des jeweiligen Kopfes statt. Gleichzeitig ablaufende visuelle und soziale Wahrnehmungen sind mindestens zweitrangig, wenn nicht überflüssig, so doch oft irreführend. Auf jeden Fall verfälschen sie (vorsätzlich?) die originäre akustische Wahrnehmung. Schon das Quatschen während des gemeinsamen Hörens von Musik ist eine "Todsünde". Hi, Lemmy! Die einzigen Ausnahmen vom Primat der akustischen Wahrnehmung von Musik sind die 31,5 cm im Quadrat der Langspielplatten-Hüllenbilder, Covers und deren Funktion als Anker einer bewusst gewählten Reihenfolge von Musikstücken (Album) im neuronalen "Plattenschrank" des Gehirns privilegierter Musikfreunde des Vinylzeitalters.
...ff

Süddeutsche Zeitung, 16./17. Januar 2016
Jonathan Barnbrook:
Was ich von David Bowie lernte: "Habe keine Angst, Populärkultur zu intellektualisieren. Du musst Deine Arbeit nicht übererklären. Es mag eine Bedeutung dahinterstecken, aber manchmal ist es besser,
etwas offen zu lassen, damit die Menschen eine Meinung dazu entwickeln können, die zu ihrem Leben passt." Ein Merkmal guter Lyrik; Im Gegensatz zu den Alltäglichkeitsreimereien der Söhne und Töchter von Mannheim bis Krasnojarsk und anderer Super Stars aus dem unendlichen Fundus banaler Geschwätzigkeiten in sogenannten souschl miedia.

Auf sz.de/Bowie:

Tim Renner:
"David Bowie hat gezeigt, dass man Widerstand leisten kann gegen so Vieles, was Mainstream ist."

kael (! hope you guess my name?):
Was nach David Bowie kommt, mag man in der Mehrzahl bestenfalls als beliebig, als "background noise" mit raschem Verfallsdatum bezeichnen.

hannof (!):
... obwohl er so öffentlich wie möglich war, war er nie privat. Ich hätte noch gut 10 Jahre mit ihm ausgehalten, aber "everybody gets got". Jetzt erwarte ich mit pubertärer Vorfreude die Veröffentlichung von MOTÖRHEADs Coverversion von HEROES. Und mache einen Veitstanz zu BLACKSTAR. And I can't see the water for the tears in my eyes.
Leb‘ wohl David,
Dein Hanno Friedrich
(! geht doch)

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Nicht mal der Schwarze Stern ist zu sehen

David Bowie hat sich aus seiner Stadt verabschiedet

Exzerpt des Artikels:
Seine Art
David Bowies Stadt war New York.
Und hier hat er sich nach allen Regeln der Kunst – seiner Kunst - auch verabschiedet.

VON PETER RICHTER
Süddeutsche Zeitung, 13. Januar 2016

New York – Die Nacht von Sonntag auf Montag schrie nach einem späten Spaziergang durch Greenwich Village mit David Bowie im Ohr: "Look up here, I’m in heaven". Da ahnte man nicht, dass er offenbar gerade starb. Oder doch? Bowies neue Platte "Blackstar" war am Freitag erst 'rausgekommen. Meisterwerk.

Washington Square Park war sein Lieblingsort in New York. Hier hocken im Sommer die Studenten und die Freaks auf dem Rasen, wie in den Sechzigern, als die Folkmusiker das Village beherrschten. Nicht weit von den Electric Lady Studios in der West 8th Street, wo Bowie 1975 "Fame" aufgenommen hat, seinen ersten Nummer-eins-Hit in den USA, und wo jetzt auch die neue Platte wieder abgemischt worden ist.

Bowie kam zweimal her nach New York, in den Siebzigern und dann, für immer, 1992. "By the time I got to New York / I was living like a king", heißt es in dem Lied im Musical "Lazarus", das vor ein paar Wochen Premiere hatte. Darin geht es um die Frage: Was macht der Alien, den Bowie 1976 in dem Film "The Man Who Fell To Earth" gepielt hatte, eigentlich heute so. Antwort: Er sitzt mit einem Kühlschrank voller Gin in einem Loft auf der 2. Avenue. Seine persönliche Assistentin ist die großartige Cristin Milioti. Der Alien will heim ins All. "This way or no way / You know, I'll be free / Just like this bluebird / Now ain't that just like me?"

In den Stunden bevor New York die Nachricht von David Bowies Tod erreichte, hatte die sich eigentlich bereits als Ohrwurm häuslich eingerichtet. Es war so, dass man in dieser Nacht zu spüren meinte, wie etwas die Erde verlässt, irgend etwas Energetisches. Als würde die Welt ein bisschen absacken, als ob sie schwerer würde. Wie eine Gondel, von der sich der Ballon gelöst hätte.

Nüchtern betrachtet hat Bowie selbst die Nachricht von seinem Tod überbracht. Mit "Blackstar", der letzten musikalischen Wendung ins Freejazzige, seit Freitag, seinem 69. Geburtstag, in die Köpfe gebracht. Zwei Tage später, es ist 3.30 Uhr früh, kommt die Nachricht, dass David Bowie tot ist. Eine letzte, große Inszenierung?!

Der Trauertag ist kalt und klar. Bestes New Yorker Winterwetter. Das Haus 285 Lafayette Street wirft einen Schatten auf die Straße. In den hinein legen die Leute seit den frühen Morgenstunden Blumensträuße. Hier hat Bowie gewohnt. Lieblingsgegend von shoppenden Touristen. Mit der Tageszeit wird das Outfit der Fans, die Blumen, Fotos, Danksagungen hinlegen, immer exaltierter. Dass sich die Erde einfach weiterdreht, das ist immer der Skandal. Nach so einem Verlust ist es ein doppelter.

Dafür läuft in fast allen Läden der Umgebung den ganzen Tag lang: Bowie. Er beschallt die ganze Stadt. Selbst im Apple Store kommt leise aus den Boxen Bowie. Das merken die unterbelichteten Apple-Millennials natürlich nicht, die dort ihren Technikkäse in die Ohren ihrer Kundschaft faseln. ("MacBook mit CD-Laufwerk? Was wollen Sie denn mit so was?" "Was wohl, Du Digital-Honk! Und ein MacBook mit Schlitz für meine neuen Vinyl-Schallplatten wäre sogar noch viel, viel besser.") Und Bowie singt: "I’m so high it makes my brain whirl / I dropped my cell phone down below."

Währenddessen wachsen vor der prosaischen Tür von 285 Lafayette Street die Blumengebirge in die Breite. Aber es hilft nichts. Auch nach dem ersten Tag ohne David Bowie geht in New York die Sonne unter, und im Großstadthimmel lohnt es nicht, nach Sternen Ausschau zu halten, nicht mal nach schwarzen. Aber: nach Bowies Mobiltelefon. Er hat es uns versprochen.

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