"Zeit must Dir nehmen,
sonst hast ja keine" -

Querfeldein durch die Logik

Gerhard Polt wird 70


Exzerpt eines Artikels von Alex Rühle


Mit dem Polt ist es wie mit Mozart. Oder wie mit den Alpen. Was soll man schon drüber sagen. Man kann so etwas betrachten. Hinhören. Sich inwendig freuen an der ganzen Pracht. Sobald man aber drüber redet, macht man sich auch schon zum Deppen. Respektive Schwätzer.

Würde man alle Humortheoretiker des Landes vor Gerhard Polt aufbauen und sie würden ihre Erklärungsversuche abgeben, Polt würde dastehen, massiv schweigend, das ganze Gerede in sich verschwinden lassen wie in einem schweren Filzvorhang, die Achseln zucken und sagen: "Ja mei."
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Er ist ein ausnehmend einnehmender Gesprächspartner, gesellig, gescheit und bescheiden. Mit geradezu liebevoller Hingabe spricht er von seinen Weggefährten, von Otto Grünmandl, den Well-Brüdern oder Jörg Hube, der vor Jahren mal von der "monströsen Präsenz dieses Polts" sprach.
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Nichts ist schlimmer für einen Schauspieler, als wenn er die Bühne mit einem Kleinkind, einem Tier oder Gerhard Polt teilen muss: Der große Jörg Hube hatte den damals noch völlig unbekannten Polt Ende der siebziger Jahre auf der Kleinkunstbühne der "Kleinen Freiheit" gesehen und vom Fleck weg für die Kammerspiele engagiert.

Armer Hube. Hatte keine Ahnung, welchen Großauratiker er sich da auf die Bühne holte. Polt sollte während Hubes Soloprogramm nur am Rand der Bühne sitzen und einen Schweinsbraten verzehren. Schon nach wenigen Abenden wirkte es, als agitiere Hube panisch an gegen die genüsslich stumme Präsenz, diese fast schon unverschämte Eindringlichkeit seines Mitessers.
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Ebenfalls mit exessivemSchweigen ließ er die zehnminütige Redezeit bei der Verleihung des Kleinkunstpreises 1980 verstreichen, aus Protest darüber, dass obrigkeitshörige ZDF-Redakteure aus einem seiner Texte den Spottnamen "Old Schwurhand" für den damaligen Innenminister Friedrich Zimmermann gestrichen hatten.

Polt aber sagte sehr wohl etwas, ziemlich viel sogar. Eben darüber, dass er jetzt nichts sagen werde. Zwischendurch schaute er immer wieder auf die Uhr: "Ja, des is jetzt zäh wie Sirup, gell, ich weiß es." Es war aber gar nicht zäh.

Noch heute muss man beim Anschauen dieser zehn Minuten unweigerlich glucksen, wenn man Polt dabei zusieht, wie er die Zeit genüsslich zerdehnt, ja es ist, als ob er ein planschendes Vollbad in ihr nimmt.

"O mei, die Zeit", sagt Polt jetzt, "die musst dir nehmen, sonst hast ja keine.".
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Gerade noch funkelte er einen an mit freundlich ruhigem Blick, plötzlich aber hat er den brachial vorgeschobenen Unterkiefer und die tief hinter der Stirn brütenden Augen seiner Figuren, die völlig unbeirrt querfeldein durch die Logik stapfen und ihre kruden Sätze dabei mit absolut wasserdicht klingenden "weils" und "insoferns" verschweißen. Stiernackig, krähwinkelhaft und geradezu monströs.
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Polt, mit seinem edel herausgewitterten Schädel, sagt: "Das meiste ist ja banal, was nicht heißt, dass es nicht komisch ist.

In der Banalität sind die feinsten Sachen drin. Delikatessen geradezu."
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Wer den vollständigen Artikel lesen möchte, gehe zu:

Ja mei
Der Kabarettist Gerhard Polt wird siebzig – nicht mehr und nicht weniger, aber quasi immerhin
von Alex Rühle
Süddeutsche Zeitung, 7. Mai 2012


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