Joysticksoldaten und Computerhacker spielen den "neuen Krieg"

Die "alte Heldenrolle" spielen seine Opfer


Exzerpt eines Artikels von NICOLAS RICHTER


Die USA verfolgen heute Terrorverdächtige mit Drohnen, unbemannten Fluggeräten, die spähen und töten. Die Piloten sitzen nicht an Bord, sondern Tausende Meilen entfernt. Drücken sie auf den Knopf, sterben Verdächtige in Jemen oder Pakistan. Ist ihr Dienst erledigt, fahren sie nach Hause zum Abendessen mit ihrer Familie.

Die USA haben ihre Drohnenflotte erweitert, weil der Preis des Angriffs gering ist: (Eigene) Soldaten sterben nicht, das Fluggerät ist (relativ) billig, und wenn es die Falschen trifft, sind die politischen Folgen harmlos. Die Opfer sind bloß noch Figuren in einem globalen Videospiel.

Die US-Luftwaffe schult inzwischen mehr Piloten für Drohnen als für die alten Fluggeräte. In einigen Jahren wird das fliegende Personal des US-Militärs überwiegend nicht mehr fliegen.

Um seine Joystick-Soldaten aufzuwerten hat das Pentagon jetzt für diese „cubicle warriors“, die Bürokrieger, eine neue Medaille geschaffen, die „Distinguished Warfare Medal“. Mit ihr sollen „außergewöhnliche Beiträge zu den Kampfhandlungen“ von Drohnenpiloten oder Computer-Hackern gewürdigt werden, die nicht auf dem Schlachtfeld geleistet wurden. Die neue Medaille wird über dem „Purple Heart“ für Verwundete angesiedelt sein.

Wer also im Büro virtuos seinen Computer bedient, ist damit höher angesehen, als jener, der seinen Kopf hingehalten hat. So fühlt sich der Elitesoldat, der Bin Laden erschoss, von seiner Nation im Stich gelassen. Nachdem er aus seinem Dienst ausgeschieden ist, hat er nun weder Einkommen noch ausreichende Krankenversicherung.

Um als Held zu gelten muss jemand zukünftig nicht mehr unbedingt sein Leben riskieren. So hat auch Barack Obama den Friedensnobelpreis bekommen, ohne seinen Ruf, seine Freiheit, Leben oder Gesundheit zu riskieren, anders als seine Vorgänger Martin Luther King, Nelson Mandela oder Aung San Suu Kyi.

Auch Maya, die Bin-Laden-Jägerin im Film „Zero Dark Thirty“, sitzt meistens vor dem Bildschirm. Als sie am Ende zwar US-Soldaten zu Bin Laden schickt, sind die aber nur noch Randfiguren.

Ein US-Infanterist in Afghanistan, der an vorderster Front kämpfte, schwitzte und um sein Leben fürchtete, Krieger im klassischen Sinne also, gefragt, warum er nicht bewundert werde: „Weil alle uns für dumm halten, gerade weil wir die gefährliche Arbeit machen“.

Der neue Krieg könnte immer mehr einem Killerspiel ähneln. Der Londoner Professor Christopher Coker befürchtet, dass mit dem Verschwinden des „alten Helden“ jede Empathie für den Feind verloren gehen könnte, sowohl beim Soldaten als auch in der Gesellschaft, die Krieg führen lässt.

Dabei ist der Drohnenpilot gar nicht so sehr das Problem. Amerikas Öffentlichkeit weiß nicht, wer im Drohnenkrieg die Ziele bestimmt und nach welchen Kriterien. Die CIA, das Weiße Haus? …?

Immer mehr seriöse Berichte schätzen die Zahl der Opfer auf Tausende, unter ihnen Hunderte Unschuldige. Oft sterben Unbekannte, weil sie sich irgendwie verdächtig verhalten. Sie gefangen zu nehmen, wird offenbar gar nicht mehr ernsthaft erwogen.

Im Terrorkampf hat sich die Regierung der Kontrolle des Parlaments bereits weitgehend entzogen. Die Exekutive tötet, ohne jede Rechenschaft abzulegen. Wie ihre Piloten agiert auch sie ohne Risiko.

Wer stellt da noch die Frage der Verhältnismäßigkeit?

In der Studie „Living under Drones“ erzählen Menschen an der afghanisch-pakistanischen Grenze, dass sie sich oft nicht trauten, zu Hilfe zu eilen, wenn in der Nähe eine US-Rakete einschlage. Oft feuerte nämlich dieselbe Drohne nach wenigen Minuten noch mal auf dasselbe Ziel.

Die Mutigeren, die sich den zerstörten Hütten nähern und nach Verletzten suchen, wissen, dass sie die Nächsten sein könnten. Ihnen bleibt das Risiko – und die Heldenrolle, die jene, die Tausend Meilen entfernt am Joystick sitzen, verloren haben.


Wer den ganzen Artikel lesen möchte, gehe zu:

Was ist ein Held?

Präsident Obama will den Soldaten, die in der Sicherheit ihrer Kommandozentralen Killerdrohnen lenken, einen neuen Orden verleihen, der in der Rangfolge vor dem Verwundetenabzeichen „Purple Heart“ steht. Deswegen stellt sich Amerika die Frage, wie es mit seinen Kriegsheimkehrern umgeht.

Von NICOLAS RICHTER
Süddeutsche Zeitung, 8. März 2013


nach oben

zurück zu: Dies&das

zurück zu ekdamerow