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Erinnerung an eine obsessive
Mac-Jugendliebe


Exzerpt eines Artikels von DAVID PFEIFER


Seit 1992 hatte ich eine anfangs geradezu obsessive Beziehung zu einer heute langen Reihe von Apple-Produkten.

Nun ist Schluss. Aus.

Ich wurde verarscht, getäuscht und schlecht behandelt. Aber zu einem Idioten gehören immer zwei. Einer, der ihn dazu macht, und einer, der sich dazu machen lässt.

Beim Apple-Teile-Lieferanten Foxconn in China bringen sich die Arbeiter um, weil sie die Arbeits-Bedingungen nicht mehr ertragen. Klar, durch Humanismus wird man nicht zum wertvollsten(?) / teuersten Börsen-Unternehmen der Welt. Aber Apple macht mit diesen Ausbeuter-Methoden nicht nur Gewinne, der Konzern erzielt „Traum“-Renditen, von denen andere Hersteller vergleichbarer Produkte nur träumen können.

Normalerweise beginnt nach jeder technischen Erfindung ein unbarmherziger Preiskampf, an dessen Ende ein damit gebautes Produkt nur noch zehn Euro kostet. Apple stellt sich aber nicht der Konkurrenz, sondern überzieht sie mit Patent-Klagen.

Und, um die Arbeitsbedingungen bei Zulieferern muss sich Apple nicht den Kopf zerbrechen, solange Kunden weiterhin Mondpreise zahlen und damit die Herstellungs-Bedingungen konsequent ausblenden.

Auch der Nachweis sauberer Produktions-Methoden gehört mittlerweile ins Stammbuch der meisten Weltkonzerne. Erst als sich 2012 der Protest von Mac-ianern regte, erklärte sich der Konzern bereit, wenigstens die reichlich laschen US-Umwelt-Standards für die Recycle- und Reparierbarkeit von Elektro-Geräten zu erfüllen.

Der riesige Tempel des Turbo-Kapitalismus, Apple, wird nicht angegriffen, weil seine Kunden sich für etwas Besseres halten und ihren Gerätepark nicht entwerten wollen. Wenn man Apple-Produkte kauft, bezahlt man schließlich auch für das erhabene Gefühl.

Anders als Bill Gates, der sich aus dem Geschäft zurückgezogen und Milliarden in wohltätige Stiftungen gab, hat Steve Jobs nie behauptet, ein netter Mensch zu sein.

Seiner Biografie zufolge hatte er eine ziemliche Sozial-Störung. Welt-Herrschafts-Phantasien waren noch ein sympathischer Teil seines Ich-Kults. Mag sein, dass man reich, mächtig und berühmt wird, wenn man sich wie eine offene Hose verhält. Aber auch ein erfolgreicher Sektierer bleibt immer noch ein Sektierer.

Steve Wozniak wollte bessere Computer bauen. Zusammen mit Jobs‘ Ehrgeiz entstanden Geräte mit fast erotischer Wirkung, einer haptischen Sexyness, die man einfach gerne besitzen möchte.

Inzwischen haben die Geräte vieler Hersteller ähnliche Eigenschaften wie auch den Touchscreen und wirken ähnlich ästhetisch - aber Apple ist immer noch teurer.

Wie der Spiegel vor Kurzem berichtete, müssen sich Verkäufer in Mac-Stores angeblich Gedichte ausdenken, wie: „Welch ein toller Ort / Community, Freude und Spaß / Ja zum Apple Store!“. Und sie dürfen keinem Kunden mit Werkzeug helfen.

Die Arbeitsbedingungen liegen zwar über den Standards bei Foxconn, aber deutlich unter denen bei Karstadt. Schlechte Bezahlung, ständige Kontrolle, Begeisterungs-Terror.

Ist einem nach der Online-Bestellung die halbe i-Tunes-Musik-Sammlung bei einem Geräte-Wechsel verschwunden, dann hätte man vermutlich die absurd teure Garantie-Verlängerung dazukaufen sollen (wenn das Gerät problemlos älter als ein Jahr werden soll).

Genau das wird einem im Store gerne aufgeschwatzt, als hätte man es mit Versicherungs-Vertretern im Beteiligungs-Rausch zu tun – nur ohne Beteiligung.

Selbst wenn man die schönsten Geräte und die beste Technik erfindet, dann geht aber etwas gar nicht:

Apple verkauft schon lange nicht mehr nur Geräte, sondern auch Inhalte. So hob Apple mit monopolistischer Kaltschnäuzigkeit die Preise für Apps in Europa um durchschnittlich ein Euro pro App an. Ohne vorher gefragt worden zu sein, gingen die Apps-Hersteller zähneknirschend mit den Preisen runter, um nicht aus den „App-Stores“ zu fliegen.

Bei i-Tunes wurden bereits bezahlte Lieder mit obszönen Texten über Nacht durch „jugendfreie“ Versionen ersetzt. Wo vorher „motherfucker“ zu hören war, wurde nun ausgeblendet oder überpiept. Bei Hip-Hop kann da eine Menge Text verloren gehen.

Dafür vervielfältigt ein Apple-Service für 24,99 Euro im Jahr die Song-Liste auf alle im Haus verfügbaren Apple-Geräte.

Opfer dieses US-amerikanischen Puritanismus wurden auch die Bücher von Øvig Knudsen über die dänische Hippie-Bewegung. Sie wurden aus dem Apple-Store entfernt, weil nackte Menschen auf dem Cover abgebildet waren, auch nachdem der Autor die entscheidenden Teile mit Äpfeln abgedeckt hatte.

Dass Titel von Zeitschriften im App-Store seit langem zensiert werden, scheint irgendwie niemand so richtig aufzuregen. Zulieferer, auch deutsche Verlage, haben wenig Macht. Solange die Kunden alles kaufen, macht der Konzern weiter, was er will.

Mein i-Phone hat seit einem Jahr und einmal herunterfallen einen Sprung im Gehäuse. T-Mobile teilte mir mit, eine Reparatur koste pauschal 240 Euro, „da haben wir keinen Einfluss drauf, das sind die Apple-Preise.“

Das alles wird mir jetzt zu lächerlich.

Den auslaufenden Vertrag werde ich nicht verlängern. Irgendwann werden auch die anderen Geräte in meinem Haushalt veraltet sein, mein Prozessor wird von irgendeinem „beißenden“ Betriebs-System gefressen werden, und dann:

Aus.

Der Apple Macintosh Classic II wird in meinem Regal stehen bleiben, schon längst nicht mehr in Gebrauch, ein Erinnerungs-Stück an eine obsessive Jugend-Liebe.


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Seit 20 Jahren betet unser Autor die Produkte von Apple an. Jetzt macht er Schluss. Warum? Weil er sich verraten fühlt – und weil Apple böse wurde. Die traurige Geschichte vom Ende einer Liebe

Von DAVID PFEIFER
Süddeutsche Zeitung WOCHENENDE
15. Dezember 2012


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