Auferstehung der Rohmilch

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Es gibt immer mehr Hinweise, dass speziell die Hitzebehandlung konventioneller Trinkmilch womöglich Krankheiten mit sich bringt

Das absolute Paradoxon des Lebens auf dem Bauernhof: Kinder sind gesund, obwohl sie das Gegenteil all dessen tun, was offizielle Regierungsstellen raten »

Wenn wir mehr wissen, können wir vielleicht der behandelten Milch nachträglich wieder zusetzen, was schützend wirkt von dem, was wir bei der Behandlung zerstört haben »

Kuh-sharing (Beteiligung am Besitz) ist eine legale Möglichkeit, Familien Rohmilch zu verkaufen »

Die Produktion von Vorzugsmilch in Deutschland wird strengstens kontrolliert. Presse-Berichte (Kampagnen) über zoonotische Erkrankungen, speziell über Ehec, ließen aber die Nachfrage stark zurückgehen, obwohl Ehec in Vorzugsmilch über die letzten 15 Jahren kaum gefunden wurde »

Ein absolutes Null-Risiko gibt es nicht »

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Exzerpt eines Artikels von KATHRIN BURGER


Vor sechzig Jahren holten noch viele Kinder euterwarme Milch vom Bauern. Wieviele dieser Kinder daran gestorben sind, ist nicht bekannt. Ich lebe noch. Nicht mal das weitaus größere Risiko Straßenverkehr hat mich "erwischt". Inzwischen kommt die Kuhmilch erst am Ende eines langen Weges zum Milchtrinker. Zu mir nicht. Ich trinke wieder Rohmilch.

Nach dem maschinellen Melken wird die Milch üblicherweise am Hof gekühlt und einige Tage gelagert bevor sie in die Molkerei kommt. Dort wird sie pasteurisiert, homogenisiert, zu H-Milch, oder zu ESL-Milch verarbeitet.

Erhitzen und Kühlen stellen sicher, dass schädliche Keime, wie Campylobacter, Listeria oder Ehec-Bakterien vernichtet werden, bzw. sich nicht oder nur sehr langsam vermehren können. Beim Pasteurisieren und durch das ESL-Verfahren werden Eiweiß-, Calcium- und Vitamingehalt "kaum" beeinträchtigt.

Auf diese Weise soll Milch möglichst lange haltbar gemacht und der Milch-Konsument gleichzeitig vor gesundheitlichen Gefahren geschützen werden.

Aber, es gibt immer mehr Hinweise, dass speziell die Hitzebehandlung womöglich auch Krankheiten mit sich bringt.

Auf einem Symposium in Prag zum Thema „Rohmilch – gesund oder gefährlich?“ wurde 2011 unter Leitung von Ton Baars vom Schweizer Forschungsinstitut für Biologischen Anbau mögliche Vorteile und Gefahren des Rohmilch-Konsums diskutiert.

Siehe:

Summaries of
oral presentations of
the First International
Raw Milk Conference
RAW MILK
Health or Hazard?
20. May 2011 Prague

Zusammenfassung von Vorträgen auf der ersten Internationalen Rohmilch Konferenz
ROHMILCH, gesund oder gefährlich?
20. Mai 2011, Prag

Siehe auch:

15 epidemiologische Studien aus Deutschland, USA, Australien u.a. liefern Hinweise auf einen Zusammenhang mit der Zunahme von Allergien und Asthma.

Eine griechische Studie stellte fest, dass Menschen mit Multipler Sklerose im Kindesalter besonders selten Rohmilch getrunken haben.

Erika von Mutius von der Universität München hat im Rahmen der EU-geförderten Gabriel-Studie, die Ursachen von Asthma und Allergien ergründen soll, gemeinsam mit Forschern aus Österreich und der Schweiz knapp 8.000 Kinder aus ländlichen Regionen untersucht. Danach haben Kinder vom Bauernhof ein bedeutend geringeres Risiko, an Asthma, Heuschnupfen oder Neurodermitis zu erkranken.

Eine Untersuchung der Londoner St. George’s University zeigte, dass Bauernhof Kinder genauso häufig an Allergien erkranken wie Stadtkinder, wenn sie abgekochte Milch bekamen. Und Kinder, die zwar nicht auf einem Bauernhof leben, aber Rohmilch trinken, haben ein geringeres Allergierisiko.

Wichtig für die Beweiskraft: Es war immer eine Dosis-Wirkungs-Beziehung nachweisbar: Der Schutz war umso besser, je mehr Rohmilch die Kinder getrunken haben.

Genetische Faktoren scheinen auch eine Rolle zu spielen. Offenbar sind nur solche Bauernhof Kinder vor Allergien und Asthma geschützt, die eine bestimmte Variante der „Toll-like Rezeptoren“ besitzen. Das sind Moleküle, Andockstellen im Immunsystem, mit deren Hilfe es als Erstes den Eintritt von Bakterien oder auch anderen harmlosen oder schädlichen Substanzen erkennt.

Wie Stallluft und Rohmilch (möglicher Weise als eine Art Impfung?) gegen Allergien funktionieren, wird derzeit untersucht.

Die Hitzebehandlung der Milch könnte auf zwei verschiedenen Wegen ungünstig sein. Einerseits werden harmlose probiotische Bakterien wie Laktobazillen in der Milch abgetötet, die im Darm siedeln und das angeborene Immunsystem stabilisieren.

Außerdem werden Eiweiße in der Milch durch Erhitzen und Homogenisieren (Zerkleinern von Fett-Tröpfchen und großen Eiweiß-Molekülen) zerstört. Dadurch sinkt der Anteil von Molkenprotein drastisch. Die Gabriel-Studie ergab aber: Nur Milch mit einem sehr hohen Anteil Molkenprotein schützt Kinder vor Asthma.

Darüber hinaus ist die Prävention umso erfolgreicher, je früher sie beginnt. Kommen bereits Ungeborene mit Rohmilch in Kontakt, weil ihre Mütter während der Schwangerschaft regelmäßig davon trinken, dann finden sich im Nabelschnurblut weniger IgE-Antikörper, die Hauptakteure bei Allergien. Solche Kinder können auch schon bei der Geburt mehr anti-allergische Botenstoffe produzieren.

Dies alles sind bisher noch nicht wissenschaftlich eindeutig „bewiesene“ Hinweise.

Viele Stellen des deutschen Gesundheitssystems weisen nach wie vor darauf hin, dass der Verzehr von Rohmilch riskant ist/sein kann.

Berthold Koletzko, Ernährungsspezialist am Haunerschen Kinderspital der Universität München warnt vor erheblichen Infektionsgefahren.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung warnt: Wenn Kinder einen Ausflug auf den Bauernhof machen, komme es immer wieder zu Durchfall-Erkrankungen. Der Ehec-Erreger kann im Ernstfall zu bleibenden Nierenschäden und zum Tod führen.

Auch Erika von Mutius (Universität München, Gabriel-Studie) rät Stadtkindern von Rohmilch ab.
„Wenn wir mehr wissen, können wir vielleicht der behandelten Milch nachträglich zusetzen, was schützend wirkt.“ Das könnten zum Beispiel manche Molke-Eiweiße sein.

Der Verkauf von Rohmilch „ab Hof“ ist derzeit nur mit dem Hinweis „Rohmilch, vor dem Verzehr abkochen“ erlaubt.

Auch die sogenannte Vorzugsmilch, die in Reformhäusern, Bioläden oder ab Hof zu erhalten ist, ist eine Rohmilch, die regelmäßig auf pathogene (krankheitserregende) Keime kontrolliert wird. Sie darf ausschließlich von zertifizierten (besonders überprüften) Betrieben angeboten werden. Weil ein Restrisiko bleibt, sollte Vorzugsmilch nicht von Kleinkindern, Kranken oder immungeschwächten Personen getrunken werden.

In Rohmilchkäse, vor allem in länger als zwei Monate gelagertem Hartkäse, haben sich die erwünschten Bakterien gegen krankmachende Besiedler durchgesetzt. Gesunde Kinder mit normaler Abwehrfunktion dürfen Rohmilchkäse essen.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung: Schwangere sollten auf Rohmilchkäse sicherheitshalber verzichten, weil eine Infektion mit dem Keim Listeria monocytogenes im schlimmsten Fall zum Abort (Fehlgeburt) füren könne ...

... In ländlichen Regionen lassen sich Menschen von solchen Warnungen nach wie vor nicht beeindrucken. Ihre Gesundheit und die ihrer Kinder profitieren offenbar davon.

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Wer den ganzen Artikel lesen möchte, gehe zu:

Revival der Rohmilch
Direkt aus dem Kuh-Euter kann Milch gefährlich sein. Doch Wissenschaftler stellen zunehmend fest, dass sie die Gesundheit womöglich auch fördert

von KATHRIN BURGER
Süddeutsche Zeitung, 10. November 20112


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Take home messages of conference speakers

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C. Braun: Farm children are strongly protected for asthma, allergies and atopic sensitisation. However, there is a protecting effect of consuming raw milk, which is found in all subgroups of children involved in the studies who consumed raw milk.

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M. Perkin: The issue of what is influencing children in their risk of atopy and allergy is clearly multifactorial. Independent of being a farm child, raw milk appears to protect against eczema and hay fever. The significant effect is found in the group of atopic children. There is an ultimate paradox about living on a farm: children are healthy, although they do everything in contrast with official governmental advice.

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T. Roos: In an oral provocation with different milks, young children with a clinical milk allergy can tolerate the raw milk of a low-input biodynamic farm in contrast to shop milk, that is, conventional, homogenised, and pasteurised milk. The patch and prick tests do not have the sensitivity to differentiate between reactions to the two types of milk.

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W. Kneifel: With the consumption of raw milk there is always a risk of the transfer of harmful microbes such als EHEC or Salmonella. In the future, a tailored technology accompanied by suitable microbiological detection methods might support the production of a safe raw milk product.

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R. Tschischkale: The German Vorzugsmilch-production is a legal way to sell raw milk. Although the milk is strictly controlled, negative campaigns in the press about zoonotic diseases and mainly EHEC strongly reduced the interest of the consumers, although EHEC was hardly found in Vorzugsmilch over the last 15 years.

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T. Baars: EHEC-contamination in raw milk is a risk. EHEC was also found in the faeces of cows from an extensive biodynamic holding; however the bacteria were not found in their milk. Compared to 'normal' raw milk, farms delivering 'Vorzugsmilch' had much better control on the bacterial counts from all typical zoonotic diseases. Risks from this strictly controlled raw milk are very low; however, a zero-risk can never be attained.

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M. Schmidt: The idea of food safety should be opened up to look first at the issue of freedom of choice and personal responsibility and, secondly, on ways of underständing the ecology of the involved zoonotic micro-organisms. At the farm level, cow sharing is a legal way to sell raw milk to families. There is an urgent need to expand the research on the apparent health benefits of raw milk and the increase of allergies and lactose intolerance.

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C. Thijs: For mothers during pregnancy and breastfeeding, and for children thereafter, full fat milk products and espedially those from organic origin may help to protect against atopic diseases, expecially when fish intake is low.

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G. Jahreis: Milk fat composition depends on the feeding of the cows. Biomarkers like CLAc9t11 are characteristic of the extensive grazing of cows. Trans-FAs in milk cannot be compared with industrial Trans-FAs. Publicity encouraging the reduced consumption of all trans-fats, milk fats included, is misleading. In relation to health promotion, several FAs have an anti-inflammatory potential. Besides n3 FAs, CLAc9t11 and C18:1t11 also play a role in this regard.

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D. Kusche: The intensification of organic dairy farming through copying conventional feeding practices (that is, through feeding of silages of grass and maize and elevated levels of concentrates) reduces the means of distinguishing between conventional and organic milk.

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S. Mosler: Metabolomics is a powerful technology to elucidate the complex composition of milk. Metabolite profiles make it possible to differentiate milk from different origins and feeding protocols. Such multiplex bioanalytics will help us to better understand lactation and the determinants of milk composition and quality.

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