Die Edelküche mit ihrer „Pornografie des Essens“ ist mir zuwider.

Das Essen hat in den vergangenen 50 Jahren stetig an Wert verloren

Nie war so klar, dass Essen politisch ist

Essen ist ein Produkt agrar-politischer und unternehmerischer Entscheidungen

Kern des Problems ist, wie wir die Erde konsumieren

Für ein Kilo Fleisch verbrauchen wir fünfzehn tausend Liter (15 Kubikmeter) Wasser

Die Lebensmittel-Produktion selbst trägt die Haupt-Verantwortung für die Zerstörung von Ökosystemen

Essen ist heute keine gastronomische Option mehr

Die Welt darf nicht erst am Herd anfangen und dann auch dort aufhören

Kein Genuss-Streben mehr ohne Umwelt-Bewusstsein

Keine Gaumen-Freude mehr ohne Ökologie

Carlo Petrini


Exzerpt eines Artikels von ULRIKE SAUER


Carlo Petrini: „Das Essen hat in den vergangenen 50 Jahren stetig an Wert verloren. Es ist zur Ware, zum reinen Handelsgut verkommen. Es zählt nur noch der (niedrigst-mögliche!) Preis.

Der Bauer bekommt für ein Kilo Karotten gerade noch neun Cent, für 1 kg Weizen 12 Cent. Das sichert kaum noch seine Existenz. Nie war so klar, dass Essen politisch ist.“

Carlo Petrini, 63, aus Bra in Piemont, ist Gründer und Präsident der SLOW-FOOD-Organisation, die sich seit 1989 für genussvolles, bewusstes Essen regionaler Herkunft einsetzt, für die Erhaltung der Artenvielfalt und umweltverträgliche Produktionsweisen.

„Die Nahrung kann ein neues Paradigma werden, mit dem sich ein Ausweg aus der globalen Wirtschaftskrise bahnen lässt. Es gibt eine Chance für mehr Sittsamkeit, für mehr Respekt vor dem Essen, für einen Wandel des Lebensstils.

45 Prozent der Nahrung werden weltweit vergeudet. Diese Verschwendung muss durch Stärkung regionaler Produktions-Systeme eingestellt werden. Essen ist heute keine gastronomische Option mehr.

Zum neunten Mal traf man sich dieser Tage in Turin vom weltumspannenden Slow-Food-Netzwerk zum „Salone des Gusto“, unter dem Motto: „Essen, das die Welt verändert“.

Dabei auch erstmals die Vertreter des Netzwerks „Terra Madre“, das Petrini 2004 gegründet hat. Ihm gehören 2500 Lebensmittel-Bündnisse an. 3000 Erzeuger aus den allen Teilen der Welt, aus Lappland, Afrika, Tibet oder den Anden, kamen mit ihren Produkten in die Turiner Lingotto-Hallen, zu einem bunten Treffen mit informativem Rahmenprogramm.

Auch Deutschland, wo die Bewegung vor 20 Jahren Fuß fasste, war in Turin stark vertreten. 60 Delegierte aus 25 lokalen Convivien (?) nahmen am Slow-Food-Weltkongress teil, darunter viele Jungaktivisten, die sich für eine saubere und faire Zukunft engagieren - Unternehmer, Food-Blogger und Studenten.

Bamberger Hörnla gab es zum Kosten, die Kartoffelsorte aus Franken, die wegen ihres niedrigen Ertrags auszusterben drohte, oder den Grünkern aus dem badischen Frankenland. Dabei auch die Münchner „Genussgemeinschaft Städter und Bauern.

Rettung erwartet Petrini nicht von einer revolutionären Tomaten-Züchtung, sondern von einer neuen Ernährungs-Politik. „Kern des Problems ist, wie wir die Erde konsumieren. Für die Produktion von einem Kilo Fleisch verbrauchen die Menschen 15.000 Liter Wasser (fünfzehn Kubikmeter).

Unser Modell, erst recht unsere Rezepte sind in der Krise. Es gibt keinen Hedonismus mehr ohne Umweltbewusstsein, keine Gaumenfreude ohne Ökologie. Wir vergessen, dass das Essen ein Produkt agrarpolitischer und unternehmerischer Entscheidungen ist.

Petrini, der studierte Soziologe, Journalist und Lokalpolitiker, hat nie wirklich in die Schublade des linken Schlemmers gepasst, dem man vorwarf elitär zu denken – schließlich sei Massenproduktion doch nötig, um die Armen der Welt zu ernähren.

Mit der Parole „gut, sauber und gerecht“ will des öko-gastronomischen Netzwerks „Terra Madre“ eine globale Antwort auf die Mängel der Globalisierung sein. Im Herbst 2004 rief Petrini in Pollenzo die erste Universität für Ernährungs-Wissenschaften weltweit ins Leben, weitere folgten.

Die Erkenntnis, dass die Massenproduktion von Nahrung zur Zerstörung von Ökosystemen führt, veränderte Petrinis Kampf. Früher habe er geglaubt, die Schwerindustrie zerstöre die Umwelt. Heute teile er die Sicht vieler Wissenschaftler, wonach die Lebensmittel-Produktion selbst die Haupt-Verantwortung trüge.

Petrinis Konsequenz: „Ein Gastronom darf sich nicht mehr allein mit Rezepten und Zubereitungs-Techniken befassen, sondern auch mit den Produkten selbst, der Art, wie und wo sie erzeugt werden. Die Welt darf nicht erst am Herd anfangen und dann auch dort aufhören.

Die Edelküche mit ihrer „Pornografie des Essens“ ist mir zuwider“.


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Der Anti-Koch

Carlo Petrini war Journalist und Lokalpolitiker – bis er sich für gesundes Essen stark machte. Daraus entstand die Slow-Food-Bewegung. Sie setzt sich für den bewussten Umgang mit Lebensmitteln und deren Herstellung ein. Es geht dabei auch um eine bessere Welt

Von ULRIKE SAUER
Süddeutsche Zeitung, 30. Oktober 2012


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