Richtig gutes Musikfernsehen ...

... gibt's tatsächlich noch: "Aufnahmezustand" auf 3sat


Exzerpt eines Artikels von ANNA BOK


Im Funkhaus in der Nalepastraße, am Spreeufer in Ostberlin Oberschöneweide gelegen, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Seit hier der Rundfunk der DDR seine Hörfunkprogramme produzierte (1956 bis 1990), wurde in den Studios kaum etwas verändert.

Die Akustik der alten Säle mit den holzvertäfelten Wänden gilt als weltweit einzigartig. Bands und Orchester aus aller Welt mieten sich noch heute für ihre Plattenproduktionen ein.

Sting, A-ha, Portishead nahmen hier schon auf, Filme wie Das Leben der Anderen oder Der Baader Meinhof Komplex nutzten den denkmalgeschützten imposanten Backsteinbau als Kulisse.

Für „ZDF kultur“ hat der Filmer Sven Haeusler nun ausgewählte Bands in die Nalepa-Studios eingeladen, ihre Songs für die sechsteilige Musiksendung Aufnahmezustand live einzuspielen.

Mit der Sendung möchte man „an die Anfänge der Musikaufnahme anknüpfen, als die Musiker noch alle gemeinsam im Aufnahmesaal standen und ihre Stücke zusammen einspielten“.

Das fordert viel Konzentration von den Musikern, ohne digitale Spielereien, ohne Performance (= überflüssige Bühnen Hampeleien?), ohne (eventuell auch noch animiertes?) Publikum. Es geht nur um die Musik und ihre unverfälschte, elektronisch möglichst wenig manipulierte Aufnahme. (Wow!)

Pro Folge wird eine Band in diesen Aufnahmezustand versetzt, darunter Boy, Little Dragon und Dillon. Den Anfang macht(e) The Asteroids Galaxy Tour, eine Gruppe aus Dänemark mit ihrem psychedelischen Soul-Pop (auch zu hören in der Fernsehserie Mad Men)(*).

Sven Haeusler veranstaltet keine große Inszenierung. Die Atmosphäre der Sendung, die irgendwo zwischen Live-Konzert, Porträt und Dokumentation angesiedelt ist, bleibt intim. 45 Minuten authentische Musik im Fernsehen, jedes Knarzen der Mikrofone und jedes Umstecken der Kabel ist zu hören.

3sat sendete vor zwei Jahren bereits eine Pilotfolge von Aufnahmezustand. Jetzt entschied der neue ZDF-Schwestersender, damit in Serie zu gehen. Ein nostalgisches Konzept, richtig gutes Musikfernsehen.

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(*) Leider muss ich gestehen, dass mir die quäkigen Windelstimmchen, die fast flächendeckend die Pop-Produktionen dieser Tage beträllern, einigermaßen auf die Nerven gehen. Ein Marvin Gaye, um nur mal einen zu nennen, der von einer der oben genannten Bands gecovert wird, nicht nur als sehr eigenwillige männliche Stimme, ist da doch regelrecht eine Offenbarung. Und ich bin wahrlich kein Freund der Soulmusik.

Drängeln sich eigentlich nur noch Frauen an die Mikros? Will denn kein Mann mehr singen? Die paar, die’s noch tun, nöhlen dann auch noch depressiv in die Gegend oder gröhlen tiefergelegt völkisch. Gut, dass ich nicht ewig leben muss. Sollte das nämlich so weiter gehen, könnte ich glatt den Spaß an (neuer) Musik verlieren.


Wer den vollständigen Artikel lesen möchte, gehe zu:

Die Energie der anderen
Im einstigen Funkhaus der DDR entsteht richtig gutes Musikfernsehen

von ANNA BOK
Süddeutsche Zeitung, 13. Oktober 2012


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