"Viel Geld haben und nachhaltig leben, ist ein Unding"


"Das Problem am BIP ist, dass man an seiner permanenten Steigerung festhält."

„Die ökologische Wende hat noch nicht einmal begonnen."

"Die Energiewende ist ein Amoklauf gegen die Natur."

"Es gibt keine Alternative zu regenerativen Energieträgern."

"Aber der erste Schritt muss sein, radikal Energie zu sparen."

"Heute verursachen Menschen bis zum 20. Lebensjahr locker mehr CO2-Produktion, als mein Großvater in seinem ganzen Leben"

"Wir sollten wieder sesshaft werden, statt permanent unterwegs zu sein und CO2 zu emittieren."

"Es existieren keine per se nachhaltigen Produkte und Technologien, sondern nur nachhaltige Lebensstile."

Niko Paech

Hier geht es zu einem Video Mitschnitt eins Vortrags von Professor Niko Paech


Exzerpt eines Interviews
von ELISABETH DOSTERT mit Niko Paech


Niko Paech, 51, lehrt an der Carl-von-Ossietzky-Universität in Oldenburg und berät Attac. Er hat kein Auto, kein „Moubail“, keinen Fernseher, wohnt zur Miete und er fliegt auch nicht. Der Volkswirt lebt das, was er lehrt.

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Niko Paech:
Von Armutsökonomien unterversorgter Länder wie Malawi einen Verzicht auf Wachstum ihres BIP
(*)s zu verlangen, wäre zynisch. Sie brauchen weiteres materielles Wachstum bis zum Erreichen einer bestimmten ökologischen Grenze.

(*) Bruttoinlandsprodukt, der Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die in einem Jahr in den Landesgrenzen einer Volkswirtschaft hergestellt wurden und dem Endverbrauch dienen.

Aber für hoch entwickelte Industrie- und Konsum Gesellschaften ist das BIP keine geeignete Zielgröße mehr für die Gestaltung einer modernen Gesellschaft.

Anhaltendes Wachstum des BIP ist allgemein, besonders aber in Europa, nur zum Preis verheerender ökologischer Zerstörung zu haben. Das gilt auch für Dienstleistungen oder vermeintliche Nachhaltigkeits-Innovationen.

Für weiteres Wachstum gehen uns außerdem auf absehbare Zeit die Ressourcen aus. Wachstum in einer reizüberfluteten Konsumgesellschaft macht niemanden glücklicher und sorgt sehr unwahrscheinlich für mehr soziale Gerechtigkeit.

40 Jahre Umweltschutz durch technischen Fortschritt haben nur das Gegenteil, mehr Umweltzerstörung bewirkt. „Green Growth“, grünes Wachstum hat lediglich alte gegen neue Schäden getauscht, verlagert oder weginterpretiert.

Die Energiewende beruht unter dem Vorbehalt eines Erhalts unseres Wohlstand-Modells allein auf einem Ausbau von Anlagen zur Nutzung der erneuerbaren Energien.

So will man ohne Rücksicht auf Einsparung und Effizienz z.B. ein Landschafts Schutzgebiet auflösen, um dort 150 Meter hohe Windkraft Anlagen zu bauen. Der Focus liegt dabei allein auf Elektrizität, ohne Berücksichtigung entscheidender Probleme wie Wärmeerzeugung und Mobilität.

Und hinter den Kulissen werden monströse neue Kohle Kraftwerke gebaut.

Selbstverständlich gibt es keine Alternative zu regenerativen Energieträgern.

Aber der erste Schritt muss sein, radikal Energie zu sparen.

Die beste Energie ist die, die wir nicht verbrauchen.

Eine Postwachstumsökonomie braucht viel weniger Industrie als heute. Flächen, die dadurch frei werden, können Standorte für Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien sein. Flugreisen sind ökologische Schadens Maximierung. Würde dem Rechnung getragen und 75 Prozent der deutschen Flughäfen stillgelegt, hätten wir weitere Flächen. Zudem müssen wir die Hälfte der deutschen Autobahnen schließen oder nur einspurig nutzen. Auf derart freiwerdenden Flächen fänden Windkraftanlagen Platz.

Wir werden im nächsten Jahrzehnt an Grenzen stoßen, die uns keine andere Wahl lassen, als über eine Reduktion des materiellen Wohlstands nachzudenken.

Das Problem am BIP ist nicht, dass es der falsche Indikator ist, sondern dass man an der Idee seiner permanenten Steigerung festhält.

Es ist absurd, zu meinen, menschliches Glück und Wohlergehen seien allein auf Basis vollständig immaterieller, also ökologisch neutraler Mittel grenzenlos zu steigern.

Wenn Sie einen Vertreter der Windenergie Branche in Rage versetzen wollen, fragen Sie ihn, wie viel Seltene Erden man braucht, um Permanent-Magnete für Windgeneratoren herzustellen. Das sind zwar nur geringe Mengen an Dysprosium oder Neodym, die aber zusehends aus Krisengebieten stammen. Um Coltan für Moubails werden schon, wie jetzt im Kongo, Bürgerkriege geführt. Hybridautos, Elektromobile und andere vermeintliche Nachhaltigkeits-Innovationen haben eben diese Achillesferse.

Die ökologische Wende hat noch nicht einmal angefangen. Auch in Deutschland findet sich kein einziger Hinweis darauf, dass sich etwas anderes als eine Zuspitzung der Umweltkrise abzeichnet.

Auch die heranwachsenden Generationen lassen keine optimistischen Erwartungen zu. Niemals zuvor in der Geschichte haben junge Menschen so viel Einwegmüll und Elektroschrott verursacht, Elektrizität infolge der digitalen Kommunikation verbraucht, Textilien verschlissen, Konsumgüter angehäuft und vor allem Flugreisen genutzt.

Heute schaffen es Menschen locker, bis zum 20. Lebensjahr mehr CO2 zu verursachen, als mein Großvater während seines gesamten Lebens.

Kindern und Jugendlichen wurde aber auch und wird immer noch von allen Seiten hinter der Fassade von Weltoffenheit ein komfortabler und globaler Lebensstil antrainiert. Wenn die ältere Generation, die dieses „Training“ geleitet hat, nun von ihnen eine Nachhaltigkeitswende erwarten würde, wäre das schlicht pervers.

Die Quelle dafür, dass wir uns den enormen materiellen Wohlstand aneignen können, liegt in der globalen industriellen Arbeitsteilung. Dadurch lassen sich die betriebswirtschaftlichen Kosten moderner Produkte und Dienstleistungen zusehends reduzieren.

Gleichzeitig werden „schmutzige“, nämlich flächen-, ressourcen- und energieintensive Teile der Herstellungskette nach Fernost oder Lateinamerika verlagert.

Die ökologischen Schäden, die fünf Millionen Notebooks aus Asien anrichten, klammern wir aus, wenn die umweltökonomische Gesamtrechnung eines europäischen Staates besungen wird.

Wenn man das ändern will, dann geht es um die Quantität des Durchflusses. Wir sollten Konsumobjekte so gestalten, dass sie langlebiger sind und sich reparieren lassen, am besten durch den Nutzer selbst. Die Industrie muss nicht verschwinden, aber viel kleiner werden und gleichzeitig müssten aus Konsumenten fleißige und sparsame Prosumenten werden, Menschen, die nicht nur konsumieren, sondern auch produzieren.

Diese Menschen bräuchten weniger Dinge, die sie auch noch gemeinsam nutzen und selbst reparieren. Nicht jeder braucht eine Bohrmaschine oder ein Auto. Die neue, deglobalisierte Arbeitsteilung sähe so aus:

Sie reparieren mein Notebook, dafür halte ich Ihre Textilien instand. Sie kriegen etwas von meinem Ernteanteil aus dem Gemeinschaftsgarten, ich darf mir dafür Ihren Rasenmäher ausleihen und so weiter.

Wenn sich zwei Leute einen Gegenstand teilen oder jemand durch pflegliche Behandlung und eigenständige Reparatur ein Produkt zu doppelter Lebensdauer verhilft, reicht die Hälfte des Outputs einer zukünftigen Industrie.

Über die Abschaffung der "geplanten Obsoleszenz"(schon bei der Produktion „eingebaute“ Verfallszeiträume, Haltbarkeitsdauern) und ein Prosumenten Management würden die Unternehmen uns beibringen, wie deren Produkte zu reparieren sind, damit wir weniger kaufen müssen.

Wenn wir weniger kaufen müssen, reicht weniger Geld und folglich weniger Arbeitszeit, etwa 20 Stunden pro Woche. Unternehmen brauchen also niemanden entlassen.

Wir Menschen müssen nur eine unbequeme Wahrheit akzeptieren, dass man nämlich nicht gleichzeitig viel Geld haben und nachhaltig leben kann.

Bei nachhaltiger Lebensführung verzichtbar sind z.B. Flugreisen, Autofahrten, Wellness, zu viele Restaurantbesuche, Eier, zu viel Fleisch, zu viel Fisch, weitere Einfamilienhäuser… So viele Energiesklaven, bequeme elektrische Geräte und andere Gebrauchsgegenstände, die wir nach und nach reduzieren können.

Vor allem: Reparieren statt neu produzieren und gemeinschaftlich nutzen!

Das ist keine Öko-Diktatur. Im Gegenteil, jeder Mensch sollte die Freiheit haben, selbst zu entscheiden, wie er innerhalb eines individuellen ökologischen Rahmens das Beste für sich herausholt. Der Rahmen heißt: 2,7 Tonnen CO2 pro Jahr.

Damit die Industrie die Produktion einschränkt, muss kein Mensch auf etwas verzichten. Wir können uns vielmehr vom Überfluss befreien.

Anstatt das zu tun, geben wir immer noch die Sorge für die produktiven Leistungen, die wir tagtäglich beanspruchen, an eine zerstörerische Megamaschine ab, um uns nicht selber die Pfoten schmutzig zu machen.

Die symbolische Aufladung unserer Alltagspraktiken und Konsumobjekte dient der Selbstdarstellung. Passivhaus und Bionade senden das Signal: Hurra, ich bin ein Weltretter! Über die Flugreise nach Brasilien möge man dann bitteschön hinwegsehen.

Je mehr Identität stiftende Nachhaltigkeits Symbole es gibt, desto mehr ökologische Schäden lassen sich damit moralisch kompensieren. Nichts anderes inszenieren momentan zeitgenössische Konsumgesellschaften als „nachhaltige Entwicklung“.

Wir sollten aber wieder sesshaft werden, statt permanent unterwegs zu sein und CO2 zu emittieren.

Ich bin 51 Jahre alt und bin 1993 einmal geflogen, weil mein Doktorvater in Washington mich vor die Wahl stellte: Entweder er fliegt zu mir oder ich komme zu ihm. Eine Schiffsreise hätte 4.000 Mark gekostet und mehr als zwei Wochen hin und zurück gedauert.

Da ich alle Einladungen ablehne, die mit einer Flugreise verbunden sind, bin ich als Wissenschaftler natürlich diskreditiert. In meinem Lebenslauf kommt kein 15minütiger Vortrag auf einer Nachhaltigkeits Konferenz in Thailand oder Los Angeles vor…


Wer den ganzen Artikel lesen möchte, gehe zu:

„Viel Geld haben
und nachhaltig zu leben,
ist ein Unding“

Der Attac-Berater und Volkswirt Niko Paech über die Vorteile einer Wirtschaft ohne Wachstum, die ökologische Wende, die weltweite Arbeitsteilung und die Befreiung vom Überfluss. Er hegt starke Zweifel, dass die junge Generation irgendetwas besser macht – im Gegenteil

Interview: ELISABETH DOSTERT
Stüddeutsche Zeitung, 6. September 2012


Die folgenden sieben Videos geben einen Vortrag wieder von apl. Prof. Niko Paech zur Wachstumskritik und Lösungswegen wie Gesellschaften dem Problem begrenzter Ressourcen begegnen können.


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